Salzburger Nachrichten

Horst Seehofer steht vor einem Scherbenha­ufen

Im Herbst 2018 kommt die Bayern-Wahl. Es dürften schicksalh­afte Monate für die Christsozi­alen werden.

- SN, dpa

Der Erwartungs­druck war immens. Unzählige Male hatte der bayerische Ministerpr­äsident Horst Seehofer in den vergangene­n Wochen von „historisch­en Verhandlun­gen“gesprochen. Und nun steht der CSU-Vorsitzend­e mitten in der Nacht in Berlin neben der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die beiden müssen das Aus für die Jamaika-Sondierung­en kommentier­en, rund eine Stunde nachdem die FDP plötzlich die Gespräche abgebroche­n hat. Damit ist der Fall eingetrete­n, vor dem Seehofer so eindringli­ch gewarnt hatte. Eine Einigung, so sagt es Seehofer in seinem Statement nach dem Scheitern, hätte helfen können, eine Antwort auf das Bundestags­wahlergebn­is zu geben: nämlich die Polarisier­ung der Gesellscha­ft zu überwinden und radikale Kräfte zurückzudr­ängen.

Doch jetzt kommt Seehofer ganz persönlich mit leeren Händen zurück nach München, zurück zur CSU-Basis, die nach dem verheerend­en Ergebnis bei der Bundestags­wahl ohnehin seit Wochen in Aufruhr ist. Was bedeutet das Jamaika-Aus für die CSU und für den 68-Jährigen persönlich? Das ist zurzeit kaum absehbar.

In der CSU dürften die Reaktionen gemischt ausfallen. Schließlic­h wäre ein Jamaika-Bündnis aus Sicht der Christsozi­alen sicher kein Wunschtrau­m, sondern eher so etwas wie eine demokratis­che Pflicht gewesen.

Am problemati­schsten wäre für die CSU wohl gewesen, hätte sie in der Flüchtling­spolitik aus Sicht der eigenen Anhänger zu weitreiche­nde Zugeständn­isse gemacht. Schließlic­h steht im Herbst 2018 die Landtagswa­hl an – und die AfD vor der Pforte des Landtags. Nicht wenige in der CSU, darunter mit Finanzmini­ster Markus Söder der aussichtsr­eichste Kandidat für die Seehofer-Nachfolge, fürchten, dass die Union in der AfD einen dauerhafte­n Konkurrent­en am rechten Rand bekommen hat. Nicht nur deshalb sind die Folgen des Jamaika-Scheiterns unvorherse­hbar. Und Seehofer persönlich? Dessen großes Ziel, so heißt es, wäre wohl gewesen, die erste JamaikaKoa­lition auf Bundeseben­e auszuhande­ln, möglichst viele CSU-Positionen durchzuset­zen und – so die jüngsten Spekulatio­nen – möglicherw­eise noch einmal Bundesmini­ster zu werden. Mit alledem hätte er, so argumentie­rten viele Christsozi­ale in den vergangene­n Wochen, die Schmach der Bundestags­wahl mit dem CSU-Absturz auf 38,8 Prozent wieder einigermaß­en wettmachen können. Nun aber steht Seehofer vor einem Scherbenha­ufen: Um seine Nachfolge als Ministerpr­äsident tobt schon seit Wochen ein erbitterte­r Machtkampf. Weite Teile der Partei erwarten längst seinen Rückzug, jedenfalls als Ministerpr­äsident.

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BILD: SN/AFP Horst Seehofer

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