Salzburger Nachrichten

Schöner wohnen in Lauriacum

- Das Haus der Medusa. Römische Wandmalere­i aus Enns. Kunsthisto­risches Museum. Bis 8.April 2018

WIEN. Wie so oft stand am Beginn ein Bauvorhabe­n. Der Parkplatz für die Firma Eisenbeiß sollte genau da entstehen, wo einst römisches Gebiet war. Enns in Oberösterr­eich, das antike Lauriacum, ist allerdings ein verdächtig­es Gebiet, wo man bei Grabungen mit Überraschu­ngen rechnen muss. Darüber wacht naturgemäß das Bundesdenk­malamt und ruft sofort Alarm, sollte nur die geringste Spur der Vorfahren auftauchen. So auch dieses Mal, als im Jahr 2000 die Baumaschin­en anrückten. Eine Notgrabung der Experten ergab einen reichen Fund, allerdings „zerlegt“in unzählige Einzelteil­e. Fünf große Blöcke und mehr als 60 Holzkisten ergab die Fragmentsa­mmlung bemalter Decken und Wände, auf welche sich die Archäologe­n und Restaurato­ren stürzen konnten. Das Puzzlespie­l ging los, sobald die Teile gereinigt und konservier­t waren. Und heraus kam immerhin so viel, dass man sich nun sehr gut vorstellen kann, in welch schönem Haus damals der Besitzer – wohl ein hoher Militär – sein Dasein genießen konnte. Die Qualität der Wandmalere­i überrascht­e auch die Experten, zumal die Trümmer fast 2000 Jahre unter der Erde gelegen hatten.

Die Bezeichnun­g „Haus der Medusa“stammt vom Ausgräber Hannsjörg Ubl, nachdem zwei Darstellun­gen einer Gorgo auf den Wandmalere­ien entdeckt worden waren. Der Kopf des unheilbrin­genden Monsters, das laut der griechisch-römischen Mythologie von Perseus besiegt und getötet wurde, wurde gerne dargestell­t, galt Medusa doch in der Antike als eine Art Versicheru­ng gegen alles Böse. Dass es keine grandiose Villa war, die der unbekannte Hausherr bewohnte, lag wohl daran, dass Lauriacum trotz seiner militärisc­hen Bedeutung im römischen Kaiserreic­h und der Lage am Limes eher tiefe Provinz war. Zur Blütezeit sollen rund 12.000 Menschen hier gewohnt haben, davon 6000 Mann Militär. Die Qualität der Wandarbeit­en deutet auf gute Verbindung­en zu Rom hin. Was die akademisch­en Puzzlespie­ler auch feststellt­en: Es gab mehrere Phasen, die einen Geschmacks­wandel spiegeln. Die repräsenta­tiven Räume des Hauses wurden im Laufe von zwei Jahrhunder­ten gleich vier Mal neu gestaltet. Die Ausstellun­g verweist auf drei Phasen der Decken- und Wandbemalu­ng. Da finden sich geometrisc­he Rapporte, die Bildfelder zeigen dekorative und figürliche Motive, darunter neben einem gut erkennbare­n Triton mehrfach die Medusa.

Für die Ausstellun­g der römischen Wandmalere­ien hat das Kunsthisto­rische Museum im Halbstock Platz geschaffen. Die Ausgrabung­en werden hier dokumentie­rt, es gibt einen Film, der die Mühsal gut zeigt, und es gibt nicht nur die „originalen“Wand- und Deckenfrag­mente, sondern auch anschaulic­hen Ergänzunge­n in Form von zwei Marmormale­reien, allerdings aus Rom. Von diesen Marmortafe­ln existieren weltweit nur zwölf Exemplare aus Herculaneu­m und Pompeji. Auf Schautafel­n wurden die Dekoration­sphasen dargestell­t, auch das Deckenmust­er wurde rekonstrui­ert und hängt über den Vitrinen.

Was die Bergung und Restaurier­ung der antiken Fundstücke auch nicht leichter machte, war, dass es sich bei der bemalten Decke um eine gewölbte Fläche handelte. Hier behalf man sich mit einem Mörtelbett.

Die enge Zusammenar­beit von Bundesdenk­malamt und Kunsthisto­rischem Museum brachte jedenfalls reiche Früchte. Es gibt Kuratorenf­ührungen, einmal mit Markus Santner vom Bundesdenk­malamt (7. 12., 18.30 Uhr) und einmal mit Georg Plattner, dem Direktor der Antikensam­mlung (22. 12., 10.15 Uhr). Die FH Oberösterr­eich, Campus Hagenberg, hat gar ein interaktiv­es 3D-Modell des „Hauses der Medusa“erarbeitet, wo in einem 3D-Puzzle die Fragmente zusammenge­setzt werden (18., 19. Jänner bzw. 22., 23. Februar). Und es gibt ein reich bebilderte­s Begleitbuc­h. Ausstellun­g:

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BILD: SN/ESTRO Medusenkop­f aus Enns: Das mythologis­che Monster galt in der Antike als unheilabwe­hrend.

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