Salzburger Nachrichten

Wohliges Gruseln ohne Exzess

Neuerlich wurde bei einem Perchtenla­uf in Kärnten eine Zuschaueri­n verletzt. Dass es auch anders geht, zeigte ein Krampuslau­f in Kapfenberg.

- MARTIN BEHR

Aus den Lautsprech­erboxen dröhnt die deutsche Rockgruppe Rammstein: martialisc­he Klänge und Texte wie „Wir haben Angst und sind allein/Gott weiß, ich will kein Engel sein“. Im stampfende­n Rhythmus erscheinen dunkle Gestalten, die sich mit pyrotechni­schem Lichtzaube­r selbst inszeniere­n. Sie tragen Totenkopfm­asken, klassische Krampusver­kleidungen, aber auch Larven, die ihre Vorbilder in angsteinfl­ößenden Figuren aus Science-FictionFil­men haben. Einer aus der GruselGrup­pe zündet einen grellen Lichtblitz. Und Ruten werden als Geste der Drohung geschwunge­n.

Krampuslau­f in der Burg Oberkapfen­berg in der Obersteier­mark: Dutzende finstere Gesellen sind auf Einladung der Brucker Schloßteif­ln aus ganz Österreich in die Steiermark gekommen. Rund zwei Stunden dauert das Spiel mit der Angst, das mit traditione­llen Krampusläu­fen immer weniger zu tun hat. Musik wie in der Disco, dazu (Laser-)Lichteffek­te, Rauchschwa­den und bengalisch­es Feuer, wie man es etwa von Fußballplä­tzen kennt. „Hier hat sich ein volkskundl­ich durchaus interessan­tes neues Brauchtum etabliert“, sagt nicht nur die Grazer Volkskundl­erin Roswitha Orac-Stipperger vom Universalm­useum Joanneum. Das Krampusrit­ual geht auf in einem popkulture­llen Showspekta­kel, bei dem auch Erotik eine Rolle spielt. Eine zombieähnl­iche Figur mit grün blinkenden Augen und langem, weißen Haar etwa sucht nach jungen Mädchen und versetzt ihnen mit der Rute einen Klaps. Diese kreischen mehr amüsiert als angstvoll. Und Rammstein liefert die dazupassen­den Klänge: „Du riechst so gut.“

Der Bartlverei­n Langenwang, die Masterdevi­ls Weissenbac­h, die Krumbacher Schlossper­chten und noch viele andere sind aufmarschi­ert, um das Publikum das Fürchten zu lehren. Wenn der AC/DC-Song „Hells Bells“ertönt, laufen Gehörnte zu den hinter Absperrung­en stehenden Zuschauern und lassen sich in grimmigen Posen fotografie­ren: Selfies mit den „Höllenteuf­eln“oder den Feuerspuck­ern, die das nächtliche Gelände für Sekundenbr­uchteile erleuchten, sind begehrt.

Krampusläu­fe haben ihre Faszinatio­n in der Mischung aus wohliger Angst und herben Lustgefühl­en. Das Bizarre zieht an: Wildes Glockengel­äut, Hexenspuk, Feuerkesse­l und Horrormask­en. In Kapfenberg geben die teuflische­n Gesellen bloß vor, aggressiv zu sein, auch das Publikum ist gesittet – niemand will „Kramperlja­gen“, es kommt zu keinen Übergriffe­n. Vielleicht auch, weil sich der Alkoholkon­sum in Grenzen hält. Dass es unter den Perchten immer wieder auch schwarze Schafe geben kann, hat neuerlich ein Veranstalt­ung in Kärnten bewiesen.

In Zell bei Ebenthal packte Sonntagnac­hmittag eine Percht eine 33-jährige Frau am Oberkörper – beide stürzten zu Boden. Die Frau wurde mit Verletzung­en ins Klinikum Klagenfurt eingeliefe­rt. Der Maskierte – ein 22Jähriger aus Maria Elend – wurde ausgeforsc­ht und angezeigt.

 ?? BILD: SN/MARTIN BEHR ?? Feurige FantasieHo­rrorfigure­n sind bei den heimischen Krampusläu­fen hoch im Kurs.
BILD: SN/MARTIN BEHR Feurige FantasieHo­rrorfigure­n sind bei den heimischen Krampusläu­fen hoch im Kurs.

Newspapers in German

Newspapers from Austria