Wohliges Gruseln ohne Exzess
Neuerlich wurde bei einem Perchtenlauf in Kärnten eine Zuschauerin verletzt. Dass es auch anders geht, zeigte ein Krampuslauf in Kapfenberg.
Aus den Lautsprecherboxen dröhnt die deutsche Rockgruppe Rammstein: martialische Klänge und Texte wie „Wir haben Angst und sind allein/Gott weiß, ich will kein Engel sein“. Im stampfenden Rhythmus erscheinen dunkle Gestalten, die sich mit pyrotechnischem Lichtzauber selbst inszenieren. Sie tragen Totenkopfmasken, klassische Krampusverkleidungen, aber auch Larven, die ihre Vorbilder in angsteinflößenden Figuren aus Science-FictionFilmen haben. Einer aus der GruselGruppe zündet einen grellen Lichtblitz. Und Ruten werden als Geste der Drohung geschwungen.
Krampuslauf in der Burg Oberkapfenberg in der Obersteiermark: Dutzende finstere Gesellen sind auf Einladung der Brucker Schloßteifln aus ganz Österreich in die Steiermark gekommen. Rund zwei Stunden dauert das Spiel mit der Angst, das mit traditionellen Krampusläufen immer weniger zu tun hat. Musik wie in der Disco, dazu (Laser-)Lichteffekte, Rauchschwaden und bengalisches Feuer, wie man es etwa von Fußballplätzen kennt. „Hier hat sich ein volkskundlich durchaus interessantes neues Brauchtum etabliert“, sagt nicht nur die Grazer Volkskundlerin Roswitha Orac-Stipperger vom Universalmuseum Joanneum. Das Krampusritual geht auf in einem popkulturellen Showspektakel, bei dem auch Erotik eine Rolle spielt. Eine zombieähnliche Figur mit grün blinkenden Augen und langem, weißen Haar etwa sucht nach jungen Mädchen und versetzt ihnen mit der Rute einen Klaps. Diese kreischen mehr amüsiert als angstvoll. Und Rammstein liefert die dazupassenden Klänge: „Du riechst so gut.“
Der Bartlverein Langenwang, die Masterdevils Weissenbach, die Krumbacher Schlossperchten und noch viele andere sind aufmarschiert, um das Publikum das Fürchten zu lehren. Wenn der AC/DC-Song „Hells Bells“ertönt, laufen Gehörnte zu den hinter Absperrungen stehenden Zuschauern und lassen sich in grimmigen Posen fotografieren: Selfies mit den „Höllenteufeln“oder den Feuerspuckern, die das nächtliche Gelände für Sekundenbruchteile erleuchten, sind begehrt.
Krampusläufe haben ihre Faszination in der Mischung aus wohliger Angst und herben Lustgefühlen. Das Bizarre zieht an: Wildes Glockengeläut, Hexenspuk, Feuerkessel und Horrormasken. In Kapfenberg geben die teuflischen Gesellen bloß vor, aggressiv zu sein, auch das Publikum ist gesittet – niemand will „Kramperljagen“, es kommt zu keinen Übergriffen. Vielleicht auch, weil sich der Alkoholkonsum in Grenzen hält. Dass es unter den Perchten immer wieder auch schwarze Schafe geben kann, hat neuerlich ein Veranstaltung in Kärnten bewiesen.
In Zell bei Ebenthal packte Sonntagnachmittag eine Percht eine 33-jährige Frau am Oberkörper – beide stürzten zu Boden. Die Frau wurde mit Verletzungen ins Klinikum Klagenfurt eingeliefert. Der Maskierte – ein 22Jähriger aus Maria Elend – wurde ausgeforscht und angezeigt.