Herzkrankheiten genauer auf der Spur
Deutsche Forscher identifizierten mehr als 11.000 Herzproteine. Aus diesen Daten wurde erstmals ein spezieller Herzatlas geschaffen, von dem sich die Mediziner viel erwarten.
MÜNCHEN. Vielfalt – das ist offenbar der Grund, warum ein Herz in einem durchschnittlichen menschlichen Leben rund zwei Milliarden Mal schlagen kann. Forscher des Max-Planck-Instituts für Biochemie und des Deutschen Herzzentrums München an der Technischen Universität München haben nun erfasst, welche und wie viele Proteine in welchen Zelltypen des Herzens vorhanden sind. Sie haben aus ihren Erkenntnissen den ersten Herzatlas des gesunden menschlichen Herzens erstellt, das sogenannte Herzproteom. Damit lassen sich in Zukunft Unterschiede zwischen kranken und gesunden Herzen leichter entdecken.
Proteine sind wie winzige Maschinen in einer Zelle. Dort übernehmen sie eine Vielzahl von Aufgaben. Sie werden anhand einer Bauanleitung, der DNA, hergestellt. Veränderungen auf DNA- oder Protein-Ebene können Krankheiten verursachen. Damit solche Veränderungen als Ursachen für Herzkrankheiten erkannt werden können, ist es wichtig zu wissen, wo welche Proteine im gesunden Herzen vorhanden sind und in welcher Menge es sie gibt.
Die Forscher bestimmten die komplette Proteinausstattung der Zellen in allen Regionen des Herzens, zum Beispiel den Herzklappen, den beiden Herzkammern und den wichtigsten Blutgefäßen.
Insgesamt haben sie im Herzen fast 11.000 unterschiedliche Proteine identifiziert. Außerdem untersuchten sie die Proteinzusammensetzung in drei unterschiedlichen Zelltypen des Herzens: den Herzfibroblasten (Herzgewebezellen), den Muskelzellen und den Endothelzellen (sie kleiden die Innenseite der Blutgefäße aus). Aus diesen Untersuchungen ergab sich eine Art Landkarte der Proteine in den unterschiedlichen Herzbereichen. Bisherige Studien konzentrierten sich meist nur auf einzelne Zelltypen oder nutzten zum Studium Gewebe aus kranken Herzen. „Diese Ergebnisse lieferten aber kein Gesamtbild des Herzens mit all seinen unterschiedlichen Regionen und Geweben, außerdem fehlten häufig Daten des gesunden Herzens als Vergleich. Jetzt können unsere Daten als Referenz für zukünftige Studien genutzt werden“, erklärt Studienleiterin Sophia Doll vom MaxPlanck-Institut für Biochemie. Der Blick in den Proteinatlas unseres Herzens zeigt: Alle gesunden Herzen funktionieren sehr ähnlich. Die einzelnen Regionen weisen eine weitgehend übereinstimmende Proteinzusammensetzung auf.
Überraschend war etwa, dass sich die rechte und linke Herzhälfte von ihrer Proteinstruktur sehr ähnlich sind, obwohl sie eigentlich unterschiedliche Aufgaben übernehmen. Die rechte Hälfte pumpt sauerstoffarmes Blut zur Lunge und die linke das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge in den Körper.
In einem nächsten Schritt testeten die Forscher, ob sich mit den Daten der gesunden Herzen Veränderungen in kranken Herzen erkennen lassen. Sie verglichen ihre Werte mit den Herzproteomen von Patienten mit Vorhofflimmern. Die Ergebnisse lieferten tatsächlich Hinweise auf die Ursache der Krankheit: Das Gewebe des kranken Herzens unterscheidet sich am stärksten bei Proteinen, die für die Energieversorgung der Zelle verantwortlich sind.
Der Vergleich ergab noch ein weiteres interessantes Ergebnis: Zwar waren bei allen Patienten die Proteine des Energiestoffwechsels verändert, aber bei jedem gab es individuelle Veränderungen.
„Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig die personalisierte Medizin ist. Obwohl alle Patienten sehr ähnliche Symptome haben, ist bei jedem etwas anderes die Ursache. In Zukunft müssen wir gerade in der Herzmedizin lernen, solche individuellen Unterschiede zu erkennen und zu behandeln“, sagt Markus Krane, stellvertretender Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München an der Technischen Universität.