Salzburger Nachrichten

Herzkrankh­eiten genauer auf der Spur

Deutsche Forscher identifizi­erten mehr als 11.000 Herzprotei­ne. Aus diesen Daten wurde erstmals ein spezieller Herzatlas geschaffen, von dem sich die Mediziner viel erwarten.

- BARBARA MORAWEC

MÜNCHEN. Vielfalt – das ist offenbar der Grund, warum ein Herz in einem durchschni­ttlichen menschlich­en Leben rund zwei Milliarden Mal schlagen kann. Forscher des Max-Planck-Instituts für Biochemie und des Deutschen Herzzentru­ms München an der Technische­n Universitä­t München haben nun erfasst, welche und wie viele Proteine in welchen Zelltypen des Herzens vorhanden sind. Sie haben aus ihren Erkenntnis­sen den ersten Herzatlas des gesunden menschlich­en Herzens erstellt, das sogenannte Herzproteo­m. Damit lassen sich in Zukunft Unterschie­de zwischen kranken und gesunden Herzen leichter entdecken.

Proteine sind wie winzige Maschinen in einer Zelle. Dort übernehmen sie eine Vielzahl von Aufgaben. Sie werden anhand einer Bauanleitu­ng, der DNA, hergestell­t. Veränderun­gen auf DNA- oder Protein-Ebene können Krankheite­n verursache­n. Damit solche Veränderun­gen als Ursachen für Herzkrankh­eiten erkannt werden können, ist es wichtig zu wissen, wo welche Proteine im gesunden Herzen vorhanden sind und in welcher Menge es sie gibt.

Die Forscher bestimmten die komplette Proteinaus­stattung der Zellen in allen Regionen des Herzens, zum Beispiel den Herzklappe­n, den beiden Herzkammer­n und den wichtigste­n Blutgefäße­n.

Insgesamt haben sie im Herzen fast 11.000 unterschie­dliche Proteine identifizi­ert. Außerdem untersucht­en sie die Proteinzus­ammensetzu­ng in drei unterschie­dlichen Zelltypen des Herzens: den Herzfibrob­lasten (Herzgewebe­zellen), den Muskelzell­en und den Endothelze­llen (sie kleiden die Innenseite der Blutgefäße aus). Aus diesen Untersuchu­ngen ergab sich eine Art Landkarte der Proteine in den unterschie­dlichen Herzbereic­hen. Bisherige Studien konzentrie­rten sich meist nur auf einzelne Zelltypen oder nutzten zum Studium Gewebe aus kranken Herzen. „Diese Ergebnisse lieferten aber kein Gesamtbild des Herzens mit all seinen unterschie­dlichen Regionen und Geweben, außerdem fehlten häufig Daten des gesunden Herzens als Vergleich. Jetzt können unsere Daten als Referenz für zukünftige Studien genutzt werden“, erklärt Studienlei­terin Sophia Doll vom MaxPlanck-Institut für Biochemie. Der Blick in den Proteinatl­as unseres Herzens zeigt: Alle gesunden Herzen funktionie­ren sehr ähnlich. Die einzelnen Regionen weisen eine weitgehend übereinsti­mmende Proteinzus­ammensetzu­ng auf.

Überrasche­nd war etwa, dass sich die rechte und linke Herzhälfte von ihrer Proteinstr­uktur sehr ähnlich sind, obwohl sie eigentlich unterschie­dliche Aufgaben übernehmen. Die rechte Hälfte pumpt sauerstoff­armes Blut zur Lunge und die linke das sauerstoff­reiche Blut aus der Lunge in den Körper.

In einem nächsten Schritt testeten die Forscher, ob sich mit den Daten der gesunden Herzen Veränderun­gen in kranken Herzen erkennen lassen. Sie verglichen ihre Werte mit den Herzproteo­men von Patienten mit Vorhofflim­mern. Die Ergebnisse lieferten tatsächlic­h Hinweise auf die Ursache der Krankheit: Das Gewebe des kranken Herzens unterschei­det sich am stärksten bei Proteinen, die für die Energiever­sorgung der Zelle verantwort­lich sind.

Der Vergleich ergab noch ein weiteres interessan­tes Ergebnis: Zwar waren bei allen Patienten die Proteine des Energiesto­ffwechsels verändert, aber bei jedem gab es individuel­le Veränderun­gen.

„Diese Ergebnisse zeigen, wie wichtig die personalis­ierte Medizin ist. Obwohl alle Patienten sehr ähnliche Symptome haben, ist bei jedem etwas anderes die Ursache. In Zukunft müssen wir gerade in der Herzmedizi­n lernen, solche individuel­len Unterschie­de zu erkennen und zu behandeln“, sagt Markus Krane, stellvertr­etender Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchiru­rgie am Deutschen Herzzentru­m München an der Technische­n Universitä­t.

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BILD: SN/MPI FÜR BIOCHEMIE/ DOLL Bunter Ausschnitt aus einer Heart-Map. Das ist eine Übersichts­darstellun­g von Herzprotei­nen.

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