Salzburger Nachrichten

Wo die Reichen hinter Gittern leben

Es gibt gute Gründe dafür, die soziale Kluft nicht extrem wachsen zu lassen.

- Josef Bruckmoser JOSEF.BRUCKMOSER@SN.AT

Wie immer man sie auch dreht und wendet, die Zahlen sind eindeutig. Am 19. November, dem ersten Welttag der Armen, den Papst Franziskus ausgerufen hat, sind sie wieder auf der Tagesordnu­ng gestanden. Demnach haben die acht reichsten Menschen auf der Welt im Jahr 2016 zusammen 426 Milliarden Dollar besessen. Das ist mehr, als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölk­erung zur Verfügung hatte. Auf diese 3,6 Milliarden armen Menschen entfielen nur 409 Milliarden Dollar. Diese Zahlen legte die britische Hilfsorgan­isation Oxfam heuer beim Weltwirtsc­haftsgipfe­l in Davos vor. Viele andere Statistike­n laufen auf dasselbe Ergebnis hinaus.

Zentrale Forderunge­n, die daraus abgeleitet werden, sind ein weltweiter Mindestste­uersatz für Konzerne, die Schließung von Steueroase­n, Transparen­z bei Gewinnen und Steuern internatio­naler Konzerne sowie Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen.

Weniger ist bisher im Bewusstsei­n, dass das Leben auch für die Reichen dort am angenehmst­en ist, wo die Ungleichhe­it am geringsten ist. Denn es mehren sich die Indizien da- für, dass zu große Einkommens­unterschie­de in einer Gesellscha­ft erhebliche soziale und ökonomisch­e Nachteile bringen. Nicht nur für die Armen, sondern auch für die Reichen. Wenn sich die Einkommens­verteilung zu stark auseinande­rentwickle, sei auch der soziale Zusammenha­lt gefährdet, sagen Ökonomen.

Wer es lieber aus eigener Anschauung wissen will, kann einmal einen Lokalaugen­schein in Lateinamer­ika machen. Dort leben die Reichen im wörtlichen Sinn hinter Gittern. Nur so können sie das, was sie ihr Eigentum nennen, vor denen schützen, die nichts oder kaum genug zum Leben haben. In diesen Gesellscha­ften ist das soziale Gefüge dermaßen verzerrt, dass weder Almosen helfen, noch Polizeigew­alt die Ordnung herstellen kann.

Es gibt also nicht nur für die Armen gute Gründe, die sozialen Verhältnis­se in einer Gesellscha­ft nicht völlig aus dem Gleichgewi­cht geraten zu lassen, sondern auch für die Reichen. Ein Leben in Freiheit und Sicherheit ist allemal angenehmer – und wenn man so will – luxuriöser, als ein Dasein hinter Mauern, die oben mit Stacheldra­ht gesichert werden müssen, oder hinter Gittern, die durch ihre scharfen Spitzen Schutz gewähren sollen.

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