Wo die Reichen hinter Gittern leben
Es gibt gute Gründe dafür, die soziale Kluft nicht extrem wachsen zu lassen.
Wie immer man sie auch dreht und wendet, die Zahlen sind eindeutig. Am 19. November, dem ersten Welttag der Armen, den Papst Franziskus ausgerufen hat, sind sie wieder auf der Tagesordnung gestanden. Demnach haben die acht reichsten Menschen auf der Welt im Jahr 2016 zusammen 426 Milliarden Dollar besessen. Das ist mehr, als die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zur Verfügung hatte. Auf diese 3,6 Milliarden armen Menschen entfielen nur 409 Milliarden Dollar. Diese Zahlen legte die britische Hilfsorganisation Oxfam heuer beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos vor. Viele andere Statistiken laufen auf dasselbe Ergebnis hinaus.
Zentrale Forderungen, die daraus abgeleitet werden, sind ein weltweiter Mindeststeuersatz für Konzerne, die Schließung von Steueroasen, Transparenz bei Gewinnen und Steuern internationaler Konzerne sowie Steuern auf sehr hohe Einkommen und Vermögen.
Weniger ist bisher im Bewusstsein, dass das Leben auch für die Reichen dort am angenehmsten ist, wo die Ungleichheit am geringsten ist. Denn es mehren sich die Indizien da- für, dass zu große Einkommensunterschiede in einer Gesellschaft erhebliche soziale und ökonomische Nachteile bringen. Nicht nur für die Armen, sondern auch für die Reichen. Wenn sich die Einkommensverteilung zu stark auseinanderentwickle, sei auch der soziale Zusammenhalt gefährdet, sagen Ökonomen.
Wer es lieber aus eigener Anschauung wissen will, kann einmal einen Lokalaugenschein in Lateinamerika machen. Dort leben die Reichen im wörtlichen Sinn hinter Gittern. Nur so können sie das, was sie ihr Eigentum nennen, vor denen schützen, die nichts oder kaum genug zum Leben haben. In diesen Gesellschaften ist das soziale Gefüge dermaßen verzerrt, dass weder Almosen helfen, noch Polizeigewalt die Ordnung herstellen kann.
Es gibt also nicht nur für die Armen gute Gründe, die sozialen Verhältnisse in einer Gesellschaft nicht völlig aus dem Gleichgewicht geraten zu lassen, sondern auch für die Reichen. Ein Leben in Freiheit und Sicherheit ist allemal angenehmer – und wenn man so will – luxuriöser, als ein Dasein hinter Mauern, die oben mit Stacheldraht gesichert werden müssen, oder hinter Gittern, die durch ihre scharfen Spitzen Schutz gewähren sollen.