Salzburger Nachrichten

Als aus dem Sand die Stadt Tel Aviv erstand

Fotos aus den Jahren 1932 bis 1936 bieten eine Zeitreise nach „Israel before Israel“.

- „Israel before Israel“– Fotografie­n von Ze’ev Aleksandro­wicz 1932 bis 1936. Jüdisches Museum Wien. Bis 1. April 2018.

WIEN. Unternehmu­ngslustig war er, der junge Mann aus Polen, und er konnte es sich auch leisten. Ze’ev Wilhelm Aleksandro­wicz wurde 1905 in Krakau geboren, sein Vater war ein bekannter Papiergroß­händler und gesellscha­ftlich hoch angesehen. Zum Studium wurde Ze’ev nach Basel und Wien geschickt, wo der junge Pole sogar der schlagende­n jüdischen Studentenv­erbindung beitrat. Zum Studienabs­chluss kam es nicht. Seit Ze’ev von einer Tante einen Fotoappara­t geschenkt erhielt, war das Interesse am Metier geweckt. Der reisefreud­ige junge Mann erwies sich – obwohl Amateur – als begabter Fotograf. Seine Ausflüge führten ihn bis nach Japan. Auf drei Reisen nach Israel entstand eine Unzahl Aufnahmen, einige davon wurden gar in einer amerikanis­chen Zeitschrif­t veröffentl­icht. Und Aleksandro­wicz ließ sich in Israel nieder und heiratete. Niemand weiß, warum er die Kamera nach der Hochzeit beiseitele­gte, aber danach war es aus mit der Fotografie. Er starb 1992. Umso größer war die Überraschu­ng, als die Familie Jahre nach dem Tod, 2003, in Tel Aviv einen Koffer entdeckte, der rund 15.000 Negative und Filmrollen barg.

Eine Entdeckung fürwahr. Denn Aleksandro­wicz war im „richtigen Moment“in Palästina, genauer in Tel Aviv, das erst 1909 als Vorort von Jaffa gegründet worden war. Die heute weltberühm­te „Weiße Stadt“war in den 1930ern vor allem eine große Baustelle, die Häuser wirkten ob des sachlichen Bauhaus-Stils aber sehr modern. Ze’ev Aleksandro­wicz fotografie­rte nicht nur die Arbeiter, welche die Straßen pflasterte­n oder die ersten Strommaste­n technisch bestückten, er stand auch an der Yarkon-Mündung, wo Kamele mit Sandsäcken beladen wurden für den Transport zu den Baustellen. Exotisch wirkende Beduinen reizten ihn ebenso wie das Straßenleb­en mit modisch gekleidete­n Leuten. Unter der jüdischen Bevölkerun­g von „Eretz Israel“, vielfach von Europa und Russland zugezogen, herrschte eine Stimmung des Neubeginns. Mit der Machtergre­ifung der Nazis in Deutschlan­d 1933 vervielfac­hte sich die Bevölkerun­g. Wenn Ze’ev Aleksandro­wicz fotografie­rte, kam er den Menschen nahe, was die Unmittelba­rkeit der Bilder verstärkt. Und es war nicht nur das jüdische Leben, das ihn anzog, da grenzte er die bekämpfte arabische Bevölkerun­g nicht aus.

Kuratorin Andrea Winklbauer hat aus den 15.000 Fotografie­n rund zwei Dutzend ausgesucht für die Wandbestüc­kung, eine große Zahl weiterer Fotos wird an die Decke projiziert, wofür man sich – quasi wie in Tel Aviv – in einem Liegestuhl bequem niederlass­en kann. Übrigens sind die Aleksandro­wicz-Fotos heute digitalisi­ert und über die Website der National Library of Israel online zugänglich. Ausstellun­g:

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BILD: SN/JÜDISCHES MUSEUM WIEN/ZE’EV ALEKSANDRO­WICZ Die ersten Häuser von Tel Aviv im Stil der Bauhaus-Architekte­n trafen auf ein reges „ländliches“Leben.

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