Stadt will alten Häusern Schutz entziehen
Die Stadtplanung erwägt, ein Viertel der Häuser in Salzburg vom Erhaltungsgebot zu befreien. Erst wenige kennen die Studie.
SALZBURG-STADT. Die Stadt Salzburg überdenkt den Schutz erhaltenswerter Häuser. Die Stadtplanung hat dazu vom Salzburger Raumplanungsbüro Terra Cognita eine Studie erstellen lassen. Ziel ist die Überarbeitung der Erhaltungsgebote. Das Ergebnis der Studie soll jetzt in einen Amtsbericht einfließen und dann in den politischen Gremien diskutiert werden. Es gab Vorgespräche mit der Magistratsdirektion und der Baubehörde, die für die Überprüfung der Objekte zuständig ist.
Was bisher durchgesickert ist, lässt bei Beobachtern die Alarmglocken schrillen: Demnach soll quer durch die Stadt rund ein Viertel aller Gebäude, die derzeit mit einem Erhaltungsgebot belegt sind, aus dem Schutz entlassen werden. Rund 300 Häuser außerhalb der Altstadtschutzzonen I und II sind betroffen. Er vermisse eine öffentliche Diskussion über dieses Ansinnen, sagt Architekt Uli Staebner von der Initiative Um+Bau+Kultur. „Erwägt die Stadt, für ein Viertel der Häuser das Erhaltungsgebot aufzuheben, kann sie das doch nicht unter dem Tisch machen.“Es spreche nichts dagegen, über eine Neubewertung nachzudenken, „aber die Öffentlichkeit muss erfahren, welche Überlegungen dahinter stehen.“
Das Ergebnis der Studie kennen derzeit erst die Beamten. Ein Exemplar wurde auch der Initiative Architektur übermittelt. „Bei einigen Objekten kann ich nicht nachvollziehen, warum das Erhaltungsgebot aufgehoben werden soll“, sagt die freie Architekturhistorikerin Jana Breuste. Auf der Liste stünden etwa sieben bis acht Gründerzeitvillen in der Elisabeth-Vorstadt im Bereich Plainstraße, Stauffenstraße und Purtschellergasse. Darunter sei auch die bauhistorisch bedeutende Villa in der Plainstraße 29, die erst kürzlich renoviert worden sei. Sie habe die Liste mit einer Gruppe von Experten durchgesehen. „Bei 60 bis 70 Objekten tut aus unserer Sicht eine Aufhebung weh.“
Auf der anderen Seite sei geplant, Gebäude weiterhin zu schützen, die man ausscheiden könnte. „Bei diesen Häusern wurden etwa schon Kunststofffenster eingebaut und ein Vollwärmeschutz angebracht.“Zugleich stünden Häuser mit Originalfenstern, Originalputz sowie Veranda mit Holzschnitzereien auf der „Abschussliste“.
Für Irritation sorgt auch, dass das Amt für Stadtplanung und Verkehr nicht eingebunden war.
Die Studie sei keineswegs endgültig, sondern eine erste Bewertung bzw. eine „vorläufige Auslese“, sagt Planungsstadtrat Johann Padutsch (Bürgerliste). Es gehe darum, nach mehr als 20 Jahren eine Neubewertung vorzunehmen und zu überprüfen, ob alle Erhaltungsgebote aus heutiger Sicht noch immer gerechtfertigt seien. Das Erhaltungsgebot gelte derzeit auch für viele Häuser der zweiten und dritten Kategorie. „Der Fokus soll auf jene Häuser gelegt werden, die tatsächlich erhaltungswert sind.“Aufheben würde man ein Erhaltungsgebot erst, nachdem jedes einzelne Objekt noch einmal genau überprüft worden sei.
„Das Erhaltungsgebot ist ein zahnloses Instrument.“Johann Padutsch, Stadtrat (BL)
Sein Ziel sei, eine politische Mehrheit für die Gründung eines Instandhaltungsfonds zu bekommen, sagt Padutsch. Mit dem Geld sollten die Eigentümer bei der Sanierung der Häuser unterstützt werden. Derzeit könne das Erhaltungsgebot leicht umgangen werden. „Es ist ein zahnloses Instrument, wir verlieren ein Haus nach dem anderen.“
Auf Grundlage des Raumordnungsgesetzes (ROG) dürfen Eigentümer die Häuser trotz des Erhaltungsgebots abreißen, wenn ihnen die Instandhaltung wegen zu hoher Kosten nicht zuzumuten ist. Daran ändert sich auch mit dem neuen ROG, das im Jänner in Kraft tritt, nichts.
Mit der Studie sei die Stadtplanung einer politischen Forderung des Planungsausschusses nachgekommen, sagt Abteilungschef Andreas Schmidbaur. „Die Mitglieder kritisieren seit Jahren, dass sich die Baubehörde zu wenig um die Überprüfung des Baubestandes kümmert und zuschaut, wie die Gebäude verfallen.“Mit den derzeitigen personellen und finanziellen Ressourcen sei es unmöglich, regelmäßig den Zustand von 1200 Gebäuden zu überprüfen. Mit der Studie wolle man bewerten, wo Erhaltungsgebote gerechtfertigt seien und zugleich ein effektiveres System der Überprüfung entwickeln. Mit der Studie ließen sich erstmals alle Gebäude mit einem Erhaltungsgebot im gesamten Stadtgebiet bewerten und vergleichen. „Auf Basis dieser Untersuchung wird noch kein Bebauungsplan geändert“, sagt Schmidbaur. Er weist auch den Vorwurf zurück, die Studie sei nicht fundiert. Er habe die Studie persönlich betreut.
Ehe ein Ausscheiden von Bauten angedacht werden könne, müsse eine Gesamtevaluierung der Baukultur bis 1983 der erste Schritt sein, sagt Architekturhistoriker Norbert Mayr. Außerdem müsste zuvor die überfällige Aufnahme von bemerkenswerten Bauwerken nach 1945 erfolgen.