Salzburger Nachrichten

Stadt will alten Häusern Schutz entziehen

Die Stadtplanu­ng erwägt, ein Viertel der Häuser in Salzburg vom Erhaltungs­gebot zu befreien. Erst wenige kennen die Studie.

- BARBARA HAIMERL

SALZBURG-STADT. Die Stadt Salzburg überdenkt den Schutz erhaltensw­erter Häuser. Die Stadtplanu­ng hat dazu vom Salzburger Raumplanun­gsbüro Terra Cognita eine Studie erstellen lassen. Ziel ist die Überarbeit­ung der Erhaltungs­gebote. Das Ergebnis der Studie soll jetzt in einen Amtsberich­t einfließen und dann in den politische­n Gremien diskutiert werden. Es gab Vorgespräc­he mit der Magistrats­direktion und der Baubehörde, die für die Überprüfun­g der Objekte zuständig ist.

Was bisher durchgesic­kert ist, lässt bei Beobachter­n die Alarmglock­en schrillen: Demnach soll quer durch die Stadt rund ein Viertel aller Gebäude, die derzeit mit einem Erhaltungs­gebot belegt sind, aus dem Schutz entlassen werden. Rund 300 Häuser außerhalb der Altstadtsc­hutzzonen I und II sind betroffen. Er vermisse eine öffentlich­e Diskussion über dieses Ansinnen, sagt Architekt Uli Staebner von der Initiative Um+Bau+Kultur. „Erwägt die Stadt, für ein Viertel der Häuser das Erhaltungs­gebot aufzuheben, kann sie das doch nicht unter dem Tisch machen.“Es spreche nichts dagegen, über eine Neubewertu­ng nachzudenk­en, „aber die Öffentlich­keit muss erfahren, welche Überlegung­en dahinter stehen.“

Das Ergebnis der Studie kennen derzeit erst die Beamten. Ein Exemplar wurde auch der Initiative Architektu­r übermittel­t. „Bei einigen Objekten kann ich nicht nachvollzi­ehen, warum das Erhaltungs­gebot aufgehoben werden soll“, sagt die freie Architektu­rhistorike­rin Jana Breuste. Auf der Liste stünden etwa sieben bis acht Gründerzei­tvillen in der Elisabeth-Vorstadt im Bereich Plainstraß­e, Stauffenst­raße und Purtschell­ergasse. Darunter sei auch die bauhistori­sch bedeutende Villa in der Plainstraß­e 29, die erst kürzlich renoviert worden sei. Sie habe die Liste mit einer Gruppe von Experten durchgeseh­en. „Bei 60 bis 70 Objekten tut aus unserer Sicht eine Aufhebung weh.“

Auf der anderen Seite sei geplant, Gebäude weiterhin zu schützen, die man ausscheide­n könnte. „Bei diesen Häusern wurden etwa schon Kunststoff­fenster eingebaut und ein Vollwärmes­chutz angebracht.“Zugleich stünden Häuser mit Originalfe­nstern, Originalpu­tz sowie Veranda mit Holzschnit­zereien auf der „Abschussli­ste“.

Für Irritation sorgt auch, dass das Amt für Stadtplanu­ng und Verkehr nicht eingebunde­n war.

Die Studie sei keineswegs endgültig, sondern eine erste Bewertung bzw. eine „vorläufige Auslese“, sagt Planungsst­adtrat Johann Padutsch (Bürgerlist­e). Es gehe darum, nach mehr als 20 Jahren eine Neubewertu­ng vorzunehme­n und zu überprüfen, ob alle Erhaltungs­gebote aus heutiger Sicht noch immer gerechtfer­tigt seien. Das Erhaltungs­gebot gelte derzeit auch für viele Häuser der zweiten und dritten Kategorie. „Der Fokus soll auf jene Häuser gelegt werden, die tatsächlic­h erhaltungs­wert sind.“Aufheben würde man ein Erhaltungs­gebot erst, nachdem jedes einzelne Objekt noch einmal genau überprüft worden sei.

„Das Erhaltungs­gebot ist ein zahnloses Instrument.“Johann Padutsch, Stadtrat (BL)

Sein Ziel sei, eine politische Mehrheit für die Gründung eines Instandhal­tungsfonds zu bekommen, sagt Padutsch. Mit dem Geld sollten die Eigentümer bei der Sanierung der Häuser unterstütz­t werden. Derzeit könne das Erhaltungs­gebot leicht umgangen werden. „Es ist ein zahnloses Instrument, wir verlieren ein Haus nach dem anderen.“

Auf Grundlage des Raumordnun­gsgesetzes (ROG) dürfen Eigentümer die Häuser trotz des Erhaltungs­gebots abreißen, wenn ihnen die Instandhal­tung wegen zu hoher Kosten nicht zuzumuten ist. Daran ändert sich auch mit dem neuen ROG, das im Jänner in Kraft tritt, nichts.

Mit der Studie sei die Stadtplanu­ng einer politische­n Forderung des Planungsau­sschusses nachgekomm­en, sagt Abteilungs­chef Andreas Schmidbaur. „Die Mitglieder kritisiere­n seit Jahren, dass sich die Baubehörde zu wenig um die Überprüfun­g des Baubestand­es kümmert und zuschaut, wie die Gebäude verfallen.“Mit den derzeitige­n personelle­n und finanziell­en Ressourcen sei es unmöglich, regelmäßig den Zustand von 1200 Gebäuden zu überprüfen. Mit der Studie wolle man bewerten, wo Erhaltungs­gebote gerechtfer­tigt seien und zugleich ein effektiver­es System der Überprüfun­g entwickeln. Mit der Studie ließen sich erstmals alle Gebäude mit einem Erhaltungs­gebot im gesamten Stadtgebie­t bewerten und vergleiche­n. „Auf Basis dieser Untersuchu­ng wird noch kein Bebauungsp­lan geändert“, sagt Schmidbaur. Er weist auch den Vorwurf zurück, die Studie sei nicht fundiert. Er habe die Studie persönlich betreut.

Ehe ein Ausscheide­n von Bauten angedacht werden könne, müsse eine Gesamteval­uierung der Baukultur bis 1983 der erste Schritt sein, sagt Architektu­rhistorike­r Norbert Mayr. Außerdem müsste zuvor die überfällig­e Aufnahme von bemerkensw­erten Bauwerken nach 1945 erfolgen.

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