Kronberger: Sexueller Missbrauch ist auch im Sport ein Thema
Petra Kronberger über sexuelle Übergriffe und Sensibilisierung im Sport.
SALZBURG. Die Diskussion über sexuelle Übergriffe erreicht nun auch den Sport: Die ehemalige Ski-Rennläuferin Nicola Werdenigg (ehemals Spieß) hat jetzt von einer Vergewaltigung und Übergriffen berichtet. Seit zwei Jahren ist Petra Kronberger Frauenbeauftragte im Ski-Verband (ÖSV) und damit erste Ansprechperson bei derartigen Vorfällen. Von dem Fall sei sie überrascht, vom Thema nicht. „Das gibt es in Hollywood, das gibt es in Österreich, und es wäre ein Wegschauen, wenn man sagt, dass das im Sport kein Thema wäre.“Im SN-Interview wünscht sie sich Sensibilisierung.
Doppelolympiasiegerin Petra Kronberger (48) ist seit Herbst 2015 Beauftragte für Frauen-Fragen im Österreichischen Skiverband (ÖSV). Installiert wurde der Posten von ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel nach dem Zerwürfnis mit Anna Veith (damals Fenninger). Die SN sprachen mit Kronberger über die jüngsten Bekenntnisse der ExRennläuferin Nicola Werdenigg (einst Spieß/siehe Kasten). SN: Wie überrascht sind Sie denn, dass das Thema nun den Skisport erreicht? Kronberger: Die Geschichte selbst hat mich sehr wohl überrascht, weil ich davon nichts gewusst habe. Aber ich beschäftige mich seit Anfang des Jahres mit dem Thema „sexualisierte Übergriffe“, auch mit dem Verein „100 Prozent Sport“, der sehr gute Leitfäden zu diesem Thema verfasst hat. Die nächste Frage ist jetzt, wie man das im ÖSV implementieren kann. SN: Umgekehrt gefragt: Haben Sie sich vor Ihrem ersten Fall gefürchtet? Nein, wenn es in Hollywood solche Übergriffe gibt, dann gibt es die wohl auch bei uns. Und es wäre ein Wegschauen, wenn man glaubt, dass das im Sport kein Thema wäre. SN: Waren Sie in Ihrer ganzen Karriere nie mit ähnlichen Dingen konfrontiert? Wovon sprechen wir da jetzt: Von einer Vergewaltigung oder von einer sexuellen Belästigung, die auch durch Worte erfolgen kann? Außerdem: Das ist alles so lange her, dass ich mich jetzt dazu nicht äußern möchte. SN: Ihre Rolle ist als Konsequenz des Streits zwischen Schröcksnadel und Fenninger entstanden. Aber braucht es einen Mittler zwischen den Geschlechtern? Es ist nicht schlecht als Hilfe, wenn man als Frau eine Frau als Ansprechperson hat. Aber ich muss einwerfen, dass die Idee schon viel früher entstanden ist, Präsident Peter Schröcksnadel hat mich schon über ein Jahr vorher gefragt, ob ich das machen würde. Ich habe das gern übernommen und es sollen sich alle Sportlerinnen aus den Sparten im ÖSV angesprochen fühlen. Außerdem: Ich bin neutral, bin niemandem verpflichtet. Dazu kenne ich auch den Sport sehr gut, das mag ein weiterer Mosaikstein sein. SN: Der raue Umgangston unter Skitrainern in den Siebziger- bis hinauf in die Neunzigerjahre war ja fast legendär. Glauben – oder hoffen – Sie, dass sich da etwas zum Besseren gewandelt hat? Es hat sich sicher vieles zum Besseren gewandelt, auch wenn ich glaube, dass noch Potenzial nach oben ist. Wir haben ganz viele Trainer im Team, die ein tolles Gespür dafür haben, was der Athlet oder die Athletin braucht. SN: Gerade im Leistungssport ist man mit körperlicher Nähe in jedem Training konfrontiert. Ist da der richtige Grad zwischen Nähe und Distanz immer leicht zu finden? Natürlich ist das eine Gratwanderung, aber darum geht es auch gar nicht. Es geht um die innere Haltung: Wenn ich jemanden angreife, weil ich ihm die Übung richtig zeige, ist das gut. Aber es muss immer der Respekt vor der Athletin oder dem Athleten da sein, denn auch bei Burschen ist das ein Thema. SN: Wenn ein Trainer aus dem Damen-Team nun zu Ihnen kommen würde, was würden Sie ihm raten? Zu Sensibilität. Ich weiß, wie Männer untereinander reden, und viele Männer würden gar nicht glauben, wie sensibel eine Frau darauf reagieren würde. Manche Männer sind sich vermutlich nicht bewusst, wie man allein schon mit Worten Frauen demütigen bzw. bedrängen kann.