Salzburger Nachrichten

Allergien können geheilt werden

Birkenpoll­en lassen zahlreiche Menschen im Frühjahr leiden. Salzburger Wissenscha­fter forschen an einer Heilung, die klinische Studie läuft bereits. Ein Mutant spielt dabei eine wichtige Rolle.

-

Birkenpoll­en lassen zahlreiche Menschen im Frühjahr leiden. Salzburger Wissenscha­fter forschen an einer Heilung, die klinische Studie läuft bereits. Ein Mutant spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Salzburger Biochemike­rin Fatima Ferreira erläutert im SN-Gespräch die Forschung an einem Wirkstoff gegen die Birkenpoll­enallergie. SN: Frau Ferreira, sind Sie die Hoffnung für alle Allergiker? Ferreira: (lacht) Ich versuche es. Allergien sind aber sehr komplizier­t. Wir wissen nicht, warum sich Allergien ausbilden. Es gibt etwa genetische Faktoren und Umweltfakt­oren: Aber wie sie zusammensp­ielen, davon haben wir noch keine Ahnung. SN: Mit einer Therapie gegen Birkenpoll­enallergie sind Sie aber schon sehr weit. Wir haben herausgefu­nden, dass nicht alle Zellen in Pollen Allergien auslösen. Im Fall der Birkenpoll­en ist es das Molekül Bet v1, wogegen manche Körper sogenannte IgE-Antikörper entwickeln. Diese IgE sind der Grund für die Allergie. SN: Bet v1 ist also der Bösewicht, der Menschen niesen lässt. Sie haben nun einen Mutanten entwickelt, der helfen soll? Ja, bisher ist es in der Therapie so, dass den Patienten Pollenextr­akt gespritzt wird. Die Prozedur wurde 1911 entwickelt. Man ging davon aus, dass Pollen wie Toxine sind. Diejenigen, die nicht darauf reagieren, haben eine Immunantwo­rt gegen diese Toxine. Die Idee dieser Therapie war, dass die Patienten durch die Spritzen einen neuen Antikörper bilden. Dieser Antikörper – er heißt IgG – neutralisi­ert das IgE. SN: Warum braucht man dann einen Mutanten? Das Problem ist, dass wir ja Therapien machen für Menschen, die schon krank sind. Das IgE ist bei ihnen also schon vorhanden. Durch das Spritzen des Pollenextr­akts bildet der Körper zwar IgG, aber der Extrakt reagiert eben auch mit dem vorhandene­n IgE. Das heißt, dass der Patient Nebenwirku­ngen hat. SN: Und die treten bei dem Mutanten nicht auf? Durch eine geänderte Faltung haben wir diesen Mutanten produziert. Die allergisch­en Antikörper können sich nicht daran binden. Gleichzeit­ig produziert der Körper aber IgG dagegen. Diese neutralisi­eren die schon vorhandene­n allergisch­en Antikörper. Der Mutant stößt im Körper also die erwünschte Wirkung an, löst aber keine allergisch­e Reaktion aus. Es hat Jahre gedauert, das Molekül zu entwickeln. Wir haben es nun patentiere­n lassen.

In vier klinischen Zentren in Deutschlan­d, Dänemark, den Niederland­en und Polen werden jetzt Patienten rekrutiert. Sie bekommen ein Mal im Monat ein Jahr lang eine Injektion: Darin sind das mutierte Molekül und Vitamin D3 enthalten, das zusätzlich Entzündung­en hemmt. SN: Wann ist diese Spritze in Österreich verfügbar? Wir schließen die Studie 2019 ab. Danach prüfen wir: Können wir die Zahl der Injektione­n oder die Dauer der Behandlung verkürzen? Wie hat die Kontrollgr­uppe reagiert? Bei Allergiepa­tienten ist der PlaceboEff­ekt besonders hoch. Ein Drittel der Menschen fühlt sich besser, wenn sie glauben, dass sie behandelt werden – obwohl das in der Kontrollgr­uppe nicht so ist. Wenn alles klappt, wird es ab 2019 noch drei bis fünf Jahre dauern, bis der Impfstoff hier verfügbar ist. SN: Warum nennen Sie das Mittel Impfstoff? Die WHO hat es als Impfstoff klassifizi­ert. Momentan arbeiten wir aber nicht an einer Prophylaxe, sondern daran, Erkrankte zu heilen. SN: Es wird also eine Heilung von Birkenpoll­enallergie geben? Ja, der Impfstoff ändert die Immunantwo­rt auf das Allergen. Der Patient muss dann in der Pollensais­on nicht jedes Jahr Medikament­e gegen die Symptome nehmen, sondern er reagiert nicht mehr. SN: Ein Jahr lang spritzen und das war es dann mit Niesen, Atemnot und Müdigkeit im Frühjahr? Es hilft langfristi­g. Es kann aber sein, dass der Patient in beispielsw­eise acht Jahren wieder Symptome entwickelt. Dann benötigt er eine Auffrischu­ngsspritze, um den Körper daran zu erinnern, wie er mit den Pollen umgehen soll. Langfristi­g wollen wir aber eine Prophylaxe entwickeln, damit die Menschen gar keine Birkenpoll­enallergie entwickeln. SN: So wie gegen Masern werden die Menschen dann gegen Allergien geimpft? Ja, das ist das Ziel. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir müssen zuerst die Frage beantworte­n, warum Menschen überhaupt zu Allergiker­n werden, also warum ihr Immunsyste­m so auf Birkenpoll­en reagiert. SN: Warum interessie­ren Sie sich eigentlich so für Birkenpoll­en? Ich bin nach Österreich gekommen und wollte etwas Sinnvolles forschen, etwas, das für die Gesellscha­ft relevant ist. Birkenpoll­en sind eine sehr bedeutende Allergenqu­elle in Zentral- und Nordeuropa. SN: Die meisten Patienten reagieren aber auf Hausstaub und Gräser allergisch. Ja, daran forscht mein Kollege Rudolf Valenta in Wien. Zudem arbeitet Barbara Bohle in Wien an einer Strategie gegen Nahrungsmi­ttelallerg­ie. Wir kooperiere­n sehr eng. So hat es Österreich an die Weltspitze in diesem Gebiet geschafft. Fatima Ferreira ist Biochemike­rin und Vizerektor­in für Forschung an der Universitä­t Salzburg. Die 58Jährige forscht im Fachbereic­h Molekulare Biologie und leitet die Arbeitsgru­ppe molekulare Allergolog­ie. Ferreira ist gebürtige Brasiliane­rin. Ihr Forschungs­projekt wird von der EU mit sechs Millionen Euro gefördert.

 ??  ??
 ?? BILD: SN/FOTOLIA ??
BILD: SN/FOTOLIA
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria