Simbabwes Bürger atmen auf
Das afrikanische Land ist nach 37 Jahren den Diktator Robert Mugabe los. Er hat die Menschen geknechtet und das afrikanische Land ruiniert. Analyse einer Tyrannis.
Nach dem Rücktritt von Simbabwes Langzeitpräsident Robert Mugabe soll dessen Nachfolger Emmerson Mnangagwa bereits morgen, Freitag, vereidigt werden. Als Zehntausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt Harare strömten, um den Rücktritt Mugabes erst zu fordern und dann zu feiern, saß er mit einen alten Freund daheim in seinem Büro, aß Maisbrei und schwelgte in alten Zeiten. „Er erzählte von seinen Schultagen und davon, wie die Anthropologie damals die Sicht der Kolonialisten auf Schwarze bestimmt hat“, erzählte George Charamba, seit 17 Jahren ein Wolfgang Drechlser berichtet für die SN aus Afrika enger Vertrauter des Diktators, einem Reporter der britischen „Financial Times“. Charamba sprach auch davon, wie entspannt der 93Jährige trotz des Orkans wirkte, der draußen gerade durch die Straßen tobte: „Meine Güte, war der gut gelaunt und gesprächig!“
Mugabe hat sich bis zuletzt fast nur mit Jasagern und engen Freunden wie Charamba umgeben. Viele, die ihn gut kennen, wie die inzwischen verstorbene simbabwische Journalistin und Buchautorin Heidi Holland, haben bei Mugabe Charakterzüge des römischen Kaisers Caligula diagnostiziert, der Widerspruch nicht duldete, überall nur Verschwörung witterte und deshalb nach dieser Maxime herrschte: „Mögen sie hassen, wenn sie nur fürchten.“
Wenn er es noch gekonnt hätte, hätte Mugabe auch jetzt wieder Polizei und Militär mobilisiert, um die Proteste im Keim zu ersticken. Doch das Militär stand diesmal auf der anderen Seite – auf der seines langjährigen Kampfgefährten Emmerson Mnangagwa, den Mugabe kurz zuvor als Vizepräsident geschasst hatte, um seine im Volk weithin verhasste Ehefrau Grace zu installieren.
Mugabe ist schon immer vor allem rachsüchtig und machthungrig gewesen. Dass er sich anders als seine Frau eher weniger aus Geld machte, konnte man an seinem Büro sehen, in dem er wohl auch seine Rücktrittserklärung verfasste, die im Parlament verlesen wurde – und sein politisches Ende markierte. Ein uraltes tragbares Radio stand jahrelang dort, ein alter Computer, die ganze Einrichtung spießig und antiquiert. Holland schrieb: „Ein Materialist ist Mugabe nicht. Sein Aphrodisiakum ist die Macht.“
Ein Blick auf das Leben des Gründervaters Simbabwes zeigt, dass der jahrelang im Westen als Lichtgestalt gefeierte Mugabe in der Tat schon immer im Herzen ein Caligula war. Zwar hat er sechs Universitätsabschlüsse und gilt als hochintelligent, doch endete die zum Machterhalt ausgeübte Gewalt niemals. „Er verbreitet Angst und Schrecken, um daraus politisch Kapital zu schlagen“, sagt der britische Afrikakenner und Diplomat Robin Renwick. Und glaubt man der lesenswerten Biografie von Heidi Holland, hat Mugabes Anspruch auf absoluten Gehorsam seine Wurzeln in der Zeit, als er auf die streng geführte Missionsschule der Jesuiten bei Harare ging. „Zurückweisung und Erniedrigung sind Dinge, die Mugabe seit diesen Tagen partout nicht ertragen kann“, meint Holland. Er sei im Inneren ein „schwacher Mann“, dessen Kindheit tiefe Spuren hinterlassen habe.
So kam die nach der Unabhängigkeit zunächst eingeschlagene Politik der Aussöhnung mit den Weißen nie von Herzen, sondern entsprang reinem Machtkalkül. Bereits als Guerillaführer im 14-jährigen Widerstandskampf gegen die Weißen hatte Mugabe niemanden neben sich geduldet. Viele Gegner in den eigenen Reihen starben auf mysteriöse Weise, andere wurden ins Exil gedrängt – ein Muster, das sich später fortsetzte.
Dass Mugabe seine Konkurrenten brutal drangsalierte, wurde im Westen lang ignoriert. Schon im Oktober 1980, nur sechs Monate nach der Unabhängigkeit Simbabwes, schloss der selbst erklärte Marxist ein Abkommen mit Nordkorea und ließ eine Sondereinheit ausbilden, die gegen interne Gegner vorgehen sollte. Wenig später schickte Mugabe, der zur Volksgruppe der Shona gehört, eben diese Sondereinheit ins Matabeleland. Zwischen 1982 und 1987 massakrierten die Soldaten dort rund 20.000 Angehörige der Ndebele. Ihr Kommandant: Mugabes Nachfolger Emmerson Mnangagwa.
Weil die Weißen damals verschont wurden, schwieg der Westen. Schlimmer noch: Er hofierte Mugabe in den nächsten 15 Jahren und überhäufte ihn mit Auszeichnungen – auch das hat zu seinem Größenwahn beigetragen.
Doch während sich das Bild Mugabes jenseits von Afrika langsam ins Gegenteil wandte, wird der einstige Freiheitskämpfer auf dem eigenen Kontinent bis heute verehrt, weil er dem Westen so gegenübertritt, wie es sich viele insgeheim offenbar wünschen. Charles Onyango-Obbo, ein ugandischer Journalist und Autor, erklärt das mit den tiefen Ressentiments vieler Schwarzer gegen die Weißen. Ursache für den Wunsch, es diesen heimzuzahlen, sei ein Gefühl der Minderwertigkeit, was auch für den Großteil der politischen Führer gelte.
Der andere Grund von Mugabes Metamorphose heißt Grace Mugabe. Die First Lady war Sekretärin im Präsidentenamt, als Mugabe mit seiner ersten Frau Sally verheiratet war. Als die aus Ghana stammende und im Volk beliebte First Lady 1992 starb, kam die bis dato geheime Liaison mit Grace an die Öffentlichkeit. Seiner 40 Jahre jüngeren und extrem verschwendungssüchtigen Gattin wollte er nun die Welt zeigen – und vor allem, wie bedeutsam er ist. Es verging kaum ein Monat, in dem die beiden nicht ins Ausland reisten, wo er sich feiern ließ und sie unverfroren auf Staatskosten einkaufte. Am Ende stachelte sie ihren Mann sogar an, eine Familiendynastie zu errichten – mit ihr als seiner Nachfolgerin. Eine fatale Fehlentscheidung, mit der Mugabe sein politisches Ende besiegelte.