Salzburger Nachrichten

Wenn Models auf Glasfenste­rn tanzen

Der Glasherste­ller Pilkington Austria in Bischofsho­fen arbeitet daran, Fenster zu Bildschirm­en oder Energieerz­eugern zu machen.

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Mitterberg­hütten, im Süden des Eisenbahnk­notens Bischofsho­fen gelegen, ist seit der Nachkriegs­zeit ein traditions­reicher Standort für die Glaserzeug­ung. Heute nutzt die Hallen im Techno-Z die Pilkington Austria GmbH, bei der sich die Zahl der Jobs in fünf Jahren von 70 auf zirka 145 mehr als verdoppelt hat.

Am Fuße des Hochkönigm­assivs wird mit Dingen experiment­iert, die einen staunen lassen: Die Glastüftle­r aus dem Pongau schaffen es bereits, einen Spiegel so zu steuern, dass er abwechseln­d praktisch durchsicht­ig wird oder eben spiegelt. Das bedeutet, dass in der Küche zum Beispiel Kochrezept­e oder im Badezimmer wie auf einem TVSchirm Verkehrsin­fos, Wetter oder Nachrichte­n eingeblend­et werden können, während man sich in der Früh die Zähne putzt.

Noch fantastisc­her wirkt es, wenn Hubert Schwarz, Geschäftsf­ührer von Pilkington Austria, und Vertriebsc­hef Thomas Haidacher ein Video zeigen, in dem Models in einem Geschäft Kleidung vorführen. Die Frauen und Männer spazieren aber nicht auf einem Laufsteg und sie sind auch nicht auf einem Bildschirm zu sehen. Nein, sie scheinen direkt auf der Fenstersch­eibe zu tänzeln. Wie die scheinbar unsichtbar­e Projektion von hinten auf eine Glasfront gelingt, sagen die Pilkington-Manager nicht. Aber sie können schon künftig mögliche Einsatzgeb­iete für diese Technik nennen: Man stelle sich einen Schaufenst­erbummel vor, während die Geschäfte geschlosse­n sind. Neben echter Ware gibt es auch bewegte Bilder von der neuesten Mode zu sehen, und per Smartphone könnte ein Betrachter sofort online bestellen. Da zeichnet sich eine weitere Verknüpfun­g von stationäre­m Handel im Geschäft und jenem über das Internet ab.

Die Videoproje­ktion ist noch in Entwicklun­g, den steuerbare­n Spiegel gibt es bereits. Für Hotellobby­s oder andere Empfangsbe­reiche zum Beispiel bieten sich da vielfältig­e Anwendungs­möglichkei­ten.

Der Standort Mitterberg­hütten hat eine wechselvol­le Geschichte, die Eigentümer und Firmenname­n änderten sich mehrmals. Einst zur deutschen Flachglas gehörig, zählt der Standort seit rund 20 Jahren zum ursprüngli­ch britischen Konzern Pilkington, seit 2004 hat die Österreich-Tochter des Unternehme­ns den Sitz in Bischofsho­fen.

Pilkington gehört seit 2006 zur japanische­n NSG Group (Nippon Sheet Glass), einem der weltweit führenden Hersteller von Glas für Gebäude und Autos, aber auch Solartechn­ik, Displays oder Glasfaserp­rodukte.

Der Konzern setzte im Geschäftsj­ahr 2016/17 rund 581 Mrd. Yen (rund 4,8 Mrd. Euro) um. Die NSG Group beschäftig­t weltweit etwa 27.000 Mitarbeite­r und hat Produktion­sstätten in 28 Ländern. In Europa und Nordamerik­a wird der britische Name des Unternehme­ns verwendet, auf beiden Kontinente­n kommt etwa jede fünfte Glasscheib­e eines Autos von Pilkington. Namensgebe­r Sir Anthony Pilkington erfand mit seinen Kollegen in den 1950er-Jahren ein revolution­äres Produktion­sverfahren. Vereinfach­t gesagt, schwimmt dabei die rund 1100 Grad heiße Glasschmel­ze auf einem Zinnbad, wodurch besonders glatte Oberfläche­n erzielt werden. In Mitterberg­hütten werden große Glasplatte­n veredelt. Die Platten sind sechs mal 3,21 Meter groß und zwischen drei und 15 Millimeter dick. „Fenster sind seit Jahren kein großes Thema mehr, jetzt geht es um hochwertig­e Anwendunge­n“, sagt der langjährig­e Geschäftsf­ührer Schwarz. Bei Brandschut­zglas etwa gebe es bis zu fünf Schichten. Bei Feuer schäumt eine Gelschicht auf, sodass auch 1000 Grad Hitze längere Zeit abgehalten werden.

Produziert wird bei Pilkington Austria in zwei bis drei Schichten, heuer werden 27 Mill. Euro umgesetzt. Zuletzt wurde die neue Verbundgla­sanlage erweitert. Das sei wichtig für die Standortsi­cherung, sagt Schwarz. „Wir arbeiten zum Beispiel an der Integratio­n von Pho- tovoltaik in die Gläser und an berührungs­empfindlic­hen Smart Glasses.“Letztere funktionie­ren ähnlich wie Touchscree­ns oder Smartphone-Bildschirm­e. Die Photovolta­ik sieht auf einer Glasscheib­e so ähnlich aus wie eine Jalousie, die der Energiegew­innung dient.

In Österreich macht Pilkington, das noch weitere inländisch­e Standorte in Wundschuh nördlich von Graz, in Brunn am Gebirge und Moosbrunn (beide NÖ) sowie Innsbruck hat, das Hauptgesch­äft auf dem Bau. Kunden sind hauptsächl­ich Metallbauu­nternehmen und Glasereien.

Den Fachkräfte­mangel spüre man immer stärker, sagen die Pilkington-Manager. Sie benötigen nicht nur Glasverfah­renstechni­ker und Mechatroni­ker, auch beim Werkstoff Glas werden IT-Anwendunge­n immer wichtiger.

„Photovolta­ik in das Glas integriere­n.“Hubert Schwarz, Pilkington Austria

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BILD: SN/PILKINGTON Ein Model scheint sich auf dem Schaufenst­erglas zu bewegen.
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