Was wir gern unter den Tisch kehren
Zu „Die Menschen-Züchter“in den SN, Magazin v. 11. 11., Seite 2:
Sehr geehrter Herr Resch, zunächst einmal ein Dankeschön für den Artikel „Rassenwahn“im Wochenend-Magazin der Salzburger Nachrichten.
Das Thema Rassismus, auf welchem unser gesellschaftliches System aufbaut (schließlich ist Rassismus ein institutionalisiertes System, welches insbesondere die wirtschaftlichen und politischen Interessen „Weißer“konsequent bevorzugt) und welches zurzeit wieder besonders vital auch in der „Mitte“der Gesellschaft gelebt wird, muss beleuchtet werden.
Es gibt einige Punkte, die ich gern ergänzen möchte: Sie schreiben gleich zu Beginn, dass die körperliche Vernichtung in Deutschland ihren Ausgang nahm. Präzise müsste es heißen im Deutschen Reich, denn dazu zählte bekanntlich ja auch Österreich. Das wird nach wie vor gern unter den Tisch gekehrt. Der noch immer – zumindest unterschwellig – vorhandene Opfermythos ist Teil der viel zu wenig aufgearbeiteten nationalsozialistischen Vergangenheit Österreichs. Dieser Mangel ist Teil des erneuten Rechtsrucks in Österreich. Weiters schreiben Sie von der „Reichskristallnacht“.
Auch wenn Sie das Wörtchen „sogenannt“davorsetzen: Beim Lesen bleibt das Wort „Reichskristallnacht“hängen. Dieses Wort trägt eine Glorifizierung der Ereignisse in sich (die Assoziationen, die über die Wortteile hergestellt werden, sind positiv konnotiert). Das einzig verwendbare Wort in diesem Zusammenhang ist deshalb Pogrom – dieses Wort bedeutet Verwüstung, Zerstörung. Auch schlage ich vor, das Wort „Rasse“ausnahmslos unter Anführungszeichen zu setzen. Es könnte sonst (unbewusst) der Eindruck entstehen, es gebe „Menschenrassen“. Diese sind, wie Sie ja geschrieben haben, nicht existent, also lediglich konstruiert. Sie schreiben auch von den Folgen der Idee der „Reinrassigkeit“, welche „aus heutiger Sicht menschenverachtend“waren. Die Folgen dieses Wahns konnten aber auch schon aus damaliger Sicht als menschenverachtend wahrgenommen werden.
Etliche haben das auch so gespürt und gesehen. Gudrun Haller