Im Visier Ihrer Majestät
Zypern liegt geopolitisch günstig: Am Tor zu den Krisenherden des Nahen Ostens. Diesen Vorteil macht sich nicht nur der britische Geheimdienst zunutze.
Stacheldrahtzäune ziehen sich durch Ödland. Radaranlagen ragen in den Himmel. Wenn Kampfjets von der britischen Militärbasis Akrotiri abheben, zittern im Restaurant von Panikos Symeou die Tische. Der Lärm macht Gespräche schwierig. Laut dem britischen Verteidigungsministerium wurden seit September 2016 im Kampf gegen den IS knapp 400 Ziele im Irak und Syrien ins Visier genommen.
Panikos Symeou ist griechischer Zypriot. Die Anwesenheit der Briten stört ihn. Er weiß nicht genau, was sonst noch einen Steinwurf vom Restaurant entfernt hinter hohen Mauern und Stacheldraht passiert. Es starten nicht nur die Flugzeuge zu ihren Einsätzen. Auch der britische Geheimdienst GCHQ dirigiert von Zypern aus seine Lauschangriffe im Nahen Osten.
Bis 1960 war Zypern britische Kolonie. Nach der Unabhängigkeit behielten die Briten zwei „Sovereign Base Areas“. Auf einer Fläche von 254 Quadratkilometern herrschen britische Regeln. Es sind die einzigen britischen Überseegebiete, in denen mit Euro gezahlt wird. Auch sonst ist vieles, was in diesen abgeriegelten Gebieten passiert, außergewöhnlich. Der Mount Olympus ist mit knapp 2000 Metern der höchste Punkt der Insel. Er gehört ebenfalls zum britischen Hoheitsgebiet. „Der Gipfel ist ideal, um Radaranlagen zu installieren“, sagt Charalampos Theopemptou. Der Parlamentsabgeordnete der zypriotischen Grünen Partei kennt sich aus im Computerbusiness. Er beschäftigt sich mit Spionage. Beinahe der gesamte Flugverkehr in den umkämpften Gebieten des Nahen Ostens könne vom Mount Olympus aus verfolgt werden, sagt er: „Da kann man jedes Flugzeug beobachten, das im Nahen Osten abfliegt oder landet.“
Für die Aufklärung waren beide britischen Militärbasen auf Zypern, Akrotiri und Dekelia, schon im 20. Jahrhundert unverzichtbar – im Palästinenserkonflikt 1948, dann in der Suezkrise 1956.
Mittlerweile hört der britische Geheimdienst mit, was in den Ländern um Zypern passiert. Nicht nur er. Spätestens seit Edward Snowdens Enthüllungen im Jahr 2013 ist bekannt, dass auch dem US-Geheimdienst NSA daran gelegen ist, die Insel als Horchposten zu nutzen. Unter dem Codenamen „Sounder“wurde Zypern in den Snowden-Dokumenten geführt. Hauptziel ist die Bekämpfung des islamistischen Terrors. Dabei bekommen die Geheimdienste Unterstützung von Zypern: Die staatliche Telekommunikationsbehörde CYTA gestattet den Briten Zugriff auf ihre Kabel. Das bestätigte der britische Pressesprecher Sean Tully. Die Unterwasserleitungen führen nach Israel, in den Libanon, nach Griechenland oder Ägypten.
Rund die Hälfte der Kosten für die britischen Basen werden Snowdens Enthüllungen zufolge von den Amerikanern übernommen. Die Briten geben keine Auskunft: „Es ist eine lang bewährte Politik, dass wir auf Fragen, die unsere Spionagetätigkeiten betreffen, nicht antworten“, sagt Pressesprecher Tully.
In der Nähe der Militärbasen herrscht aus anderen Gründen große Sorge. „Wenn ich in der Nähe der riesigen Radaranlagen mit dem Auto fahre, spielen meine Scheibenwischer verrückt, die Frequenzen meines Radios verschieben sich“, erzählt Restaurantbesitzer Panikos Symeou. Etwa 1000 Menschen wohnen in dem Dorf Akrotiri, das schon zu britischem Gebiet zählt. Symeou fürchtet um seine Gesundheit, und damit ist er nicht allein, wie er betont. Die elektromagnetischen Wellen der Radaranlagen seien für Krebserkrankungen verantwortlich. Dem widerspricht Pressesprecher Sean Tully. Jahrelang protestierten die Bewohner. „Wir haben darauf hingewiesen, dass jeder im Dorf, der Beweise für eine Verschlechterung der gesundheitlichen Situation aufbringen kann, sie darbringen möge“, sagt er. In einer Studie im Jahr 2005 wurden keine eindeutigen Risikofaktoren bestätigt. Das Gefühl des Unbehagens bei der Bevölkerung aber bleibt.
Das Verhältnis zu den Briten ist zwiegespalten. Sie sind auf ihren Basen Arbeitgeber für 1300 zypriotische Angestellte. Diese arbeiten als Köche, Kellner, Zulieferer oder Reinigungskräfte für die insgesamt 3140 britischen Militärs.
Zypern dient aber auch 60.000 Briten als Wohnort. Pro Jahr kommen etwa 1,5 Millionen britische Touristen auf die Insel. „Wir müssen uns an die britische Präsenz auf der Insel gewöhnen“, sagt ein Anrainer. Zypern liegt nur etwa 300 Kilometer von der syrischen Küste entfernt. „Die Zyprioten sind natürlich auch besorgt, zur Zielscheibe für Gegenangriffe des IS zu werden“, sagt Costas Constantinou, Professor der internationalen Beziehungen an der Universität Zypern. „Nichts zu tun ist aber auch keine Option“, entgegnet Pressesprecher Tully. Es sei besser und langfristig auch sicherer für die Inselbewohner, den IS zu bekämpfen. Zypern wird also weiterhin unsinkbarer Flugzeugträger der Briten bleiben, wird ihnen als Ohr und Auge der Überwachung der gesamten Region dienen.
Im Februar 2017 wurde die Zusammenarbeit beider Länder schriftlich besiegelt. Das gemeinsame Ziel: Bekämpfung des Terrors, Zusammenarbeit bei der Luftwaffe, Beobachtung der Krisenherde.
Und das soll auch so bleiben, wenn Großbritannien die EU verlässt. Der Deputy High Commissioner der Briten auf Zypern, Ian Whitting, rechnet mit einem „reibungslosen Übergang“nach dem Brexit: „Nichts soll sich ändern.“
„Zypern ist ideal gelegen für Spionage.“