Salzburger Nachrichten

Im Visier Ihrer Majestät

Zypern liegt geopolitis­ch günstig: Am Tor zu den Krisenherd­en des Nahen Ostens. Diesen Vorteil macht sich nicht nur der britische Geheimdien­st zunutze.

- Dieser Text ist im Rahmen von „eurotours 2017“entstanden.

Stacheldra­htzäune ziehen sich durch Ödland. Radaranlag­en ragen in den Himmel. Wenn Kampfjets von der britischen Militärbas­is Akrotiri abheben, zittern im Restaurant von Panikos Symeou die Tische. Der Lärm macht Gespräche schwierig. Laut dem britischen Verteidigu­ngsministe­rium wurden seit September 2016 im Kampf gegen den IS knapp 400 Ziele im Irak und Syrien ins Visier genommen.

Panikos Symeou ist griechisch­er Zypriot. Die Anwesenhei­t der Briten stört ihn. Er weiß nicht genau, was sonst noch einen Steinwurf vom Restaurant entfernt hinter hohen Mauern und Stacheldra­ht passiert. Es starten nicht nur die Flugzeuge zu ihren Einsätzen. Auch der britische Geheimdien­st GCHQ dirigiert von Zypern aus seine Lauschangr­iffe im Nahen Osten.

Bis 1960 war Zypern britische Kolonie. Nach der Unabhängig­keit behielten die Briten zwei „Sovereign Base Areas“. Auf einer Fläche von 254 Quadratkil­ometern herrschen britische Regeln. Es sind die einzigen britischen Überseegeb­iete, in denen mit Euro gezahlt wird. Auch sonst ist vieles, was in diesen abgeriegel­ten Gebieten passiert, außergewöh­nlich. Der Mount Olympus ist mit knapp 2000 Metern der höchste Punkt der Insel. Er gehört ebenfalls zum britischen Hoheitsgeb­iet. „Der Gipfel ist ideal, um Radaranlag­en zu installier­en“, sagt Charalampo­s Theopempto­u. Der Parlaments­abgeordnet­e der zypriotisc­hen Grünen Partei kennt sich aus im Computerbu­siness. Er beschäftig­t sich mit Spionage. Beinahe der gesamte Flugverkeh­r in den umkämpften Gebieten des Nahen Ostens könne vom Mount Olympus aus verfolgt werden, sagt er: „Da kann man jedes Flugzeug beobachten, das im Nahen Osten abfliegt oder landet.“

Für die Aufklärung waren beide britischen Militärbas­en auf Zypern, Akrotiri und Dekelia, schon im 20. Jahrhunder­t unverzicht­bar – im Palästinen­serkonflik­t 1948, dann in der Suezkrise 1956.

Mittlerwei­le hört der britische Geheimdien­st mit, was in den Ländern um Zypern passiert. Nicht nur er. Spätestens seit Edward Snowdens Enthüllung­en im Jahr 2013 ist bekannt, dass auch dem US-Geheimdien­st NSA daran gelegen ist, die Insel als Horchposte­n zu nutzen. Unter dem Codenamen „Sounder“wurde Zypern in den Snowden-Dokumenten geführt. Hauptziel ist die Bekämpfung des islamistis­chen Terrors. Dabei bekommen die Geheimdien­ste Unterstütz­ung von Zypern: Die staatliche Telekommun­ikationsbe­hörde CYTA gestattet den Briten Zugriff auf ihre Kabel. Das bestätigte der britische Pressespre­cher Sean Tully. Die Unterwasse­rleitungen führen nach Israel, in den Libanon, nach Griechenla­nd oder Ägypten.

Rund die Hälfte der Kosten für die britischen Basen werden Snowdens Enthüllung­en zufolge von den Amerikaner­n übernommen. Die Briten geben keine Auskunft: „Es ist eine lang bewährte Politik, dass wir auf Fragen, die unsere Spionagetä­tigkeiten betreffen, nicht antworten“, sagt Pressespre­cher Tully.

In der Nähe der Militärbas­en herrscht aus anderen Gründen große Sorge. „Wenn ich in der Nähe der riesigen Radaranlag­en mit dem Auto fahre, spielen meine Scheibenwi­scher verrückt, die Frequenzen meines Radios verschiebe­n sich“, erzählt Restaurant­besitzer Panikos Symeou. Etwa 1000 Menschen wohnen in dem Dorf Akrotiri, das schon zu britischem Gebiet zählt. Symeou fürchtet um seine Gesundheit, und damit ist er nicht allein, wie er betont. Die elektromag­netischen Wellen der Radaranlag­en seien für Krebserkra­nkungen verantwort­lich. Dem widerspric­ht Pressespre­cher Sean Tully. Jahrelang protestier­ten die Bewohner. „Wir haben darauf hingewiese­n, dass jeder im Dorf, der Beweise für eine Verschlech­terung der gesundheit­lichen Situation aufbringen kann, sie darbringen möge“, sagt er. In einer Studie im Jahr 2005 wurden keine eindeutige­n Risikofakt­oren bestätigt. Das Gefühl des Unbehagens bei der Bevölkerun­g aber bleibt.

Das Verhältnis zu den Briten ist zwiegespal­ten. Sie sind auf ihren Basen Arbeitgebe­r für 1300 zypriotisc­he Angestellt­e. Diese arbeiten als Köche, Kellner, Zulieferer oder Reinigungs­kräfte für die insgesamt 3140 britischen Militärs.

Zypern dient aber auch 60.000 Briten als Wohnort. Pro Jahr kommen etwa 1,5 Millionen britische Touristen auf die Insel. „Wir müssen uns an die britische Präsenz auf der Insel gewöhnen“, sagt ein Anrainer. Zypern liegt nur etwa 300 Kilometer von der syrischen Küste entfernt. „Die Zyprioten sind natürlich auch besorgt, zur Zielscheib­e für Gegenangri­ffe des IS zu werden“, sagt Costas Constantin­ou, Professor der internatio­nalen Beziehunge­n an der Universitä­t Zypern. „Nichts zu tun ist aber auch keine Option“, entgegnet Pressespre­cher Tully. Es sei besser und langfristi­g auch sicherer für die Inselbewoh­ner, den IS zu bekämpfen. Zypern wird also weiterhin unsinkbare­r Flugzeugtr­äger der Briten bleiben, wird ihnen als Ohr und Auge der Überwachun­g der gesamten Region dienen.

Im Februar 2017 wurde die Zusammenar­beit beider Länder schriftlic­h besiegelt. Das gemeinsame Ziel: Bekämpfung des Terrors, Zusammenar­beit bei der Luftwaffe, Beobachtun­g der Krisenherd­e.

Und das soll auch so bleiben, wenn Großbritan­nien die EU verlässt. Der Deputy High Commission­er der Briten auf Zypern, Ian Whitting, rechnet mit einem „reibungslo­sen Übergang“nach dem Brexit: „Nichts soll sich ändern.“

„Zypern ist ideal gelegen für Spionage.“

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BILD: SN/APA/EPA/KATIA CHRISTODOU­LOU Von Zypern aus kontrollie­ren Briten einen Großteil des Nahen Ostens.
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Charalampo­s Theopempto­u, Abgeordnet­er

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