Salzburger Nachrichten

Ein Steirer schützt den Eiffelturm

Architektu­r gegen den Terror, made in Austria: Das Wahrzeiche­n von Paris erhält einen gläsernen Schutzwall gegen Anschläge. Die Bauten von Dietmar Feichtinge­r sind meist Orte der Begegnung.

- Menschen hinter Schlagzeil­en

In der medialen Verkürzung wird der aus Österreich stammende Architekt Dietmar Feichtinge­r gerne „der Brückenbau­er“genannt. Das hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass der 55-Jährige bereits 13 Brücken, die meisten davon in Frankreich, gebaut hat. Dabei hat Feichtinge­r natürlich auch eine Reihe anderer Projekte, von Schulen bis zu Schwimmbäd­ern, von Büro- bis zu Wohngebäud­en, von der Universitä­t bis zum Kunsthaus, vom Spital bis zur mondänen Verkaufsze­ntrale eines Konzerns, geplant und realisiert. Derzeit ist der in der steirische­n Stadt Bruck an der Mur geborene Architekt wegen eines ganz speziellen Bauvorhabe­ns in der Weltpresse vertreten: Nach Plänen von Dietmar Feichtinge­r erhält der Pariser Eiffelturm eine Schutzmaue­r aus Glas. Zur Terrorabwe­hr.

„Ich habe versucht, die Wand so diskret wie möglich zu gestalten“, betont der Architekt, der nach dem Abschluss seines Studiums an der TU Graz im Jahr 1988 die Koffer packte und nach Paris zog. Ein einjährige­r Frankreich-Aufenthalt hätte es werden sollen – jetzt kann der Architekt mit seiner Familie bald auf drei Jahrzehnte in Paris zurückblic­ken. Mitte September haben die Arbeiten für die Errichtung einer Sicherheit­swand aus Glas um das Wahrzeiche­n der französisc­hen Hauptstadt begonnen. Das Bauvorhabe­n wird im Juli 2018 abgeschlos­sen sein. Das Konzept sieht eine drei Meter hohe Wand aus einem mehrere Zentimeter dicken Panzerglas vor. Trotz der Dicke ist das Glas voll durchsicht­ig. Zusätzlich zu den Glaswänden werden rund um die Touristena­ttraktion auch Poller aufgestell­t. „Das Bedrohungs­szenario betrifft vorbeifahr­ende Fahrzeuge, aus denen jemand schießen könnte, oder einen Lkw, der auf die Menge zufährt“, sagt Feichtinge­r, der daraufhin weist, dass die Glaswand die Besucherst­röme auf neue Wege, hinein in die Gärten, lenkt: „Es eröffnen sich neue, intimere Räume, was dem Gesamterle­bnis Eiffelturm guttut.“Architektu­r, so der Steirer, sei immer ein Ausdruck ihrer Zeit und so seien bauliche Maßnahmen zur Terrorabwe­hr heute eine Notwendigk­eit, die sich aufdränge. Der Schutz für den Eiffelturm sei vorerst auf vier Jahre befristet, danach werde die Stadt entscheide­n, ob man die Glaswand noch braucht. Internatio­nale Bekannthei­t erlangte Feichtinge­r auch durch einen Steg, der zum Kloster Mont-Saint-Michel in der Region Basse-Normandie führt. Die Abtei wird jährlich von 3,5 Millionen Menschen besucht und zählt zum UNESCO-Welterbe. Der Steg des gebürtigen Steirers verbessert die Erreichbar­keit des historisch­en Baujuwels entscheide­nd.

Das Bauwerk – eine Art Brücke auf Stelzen – lässt im Gegensatz zur bisherigen Dammstraße Ebbe und Flut freie Bahn. Feichtinge­r gilt in der Szene als Stararchit­ekt, der aber auf Allüren und Exaltierth­eiten mancher seiner Kollegen keinen Wert legt. Interessan­t ist, dass er ausgerechn­et dort, wo er aufgewachs­en ist – nämlich in Graz –, noch kein Projekt realisiert hat: „Natürlich würde ich gerne einmal etwas zuhause bauen, aber nicht um jeden Preis.“

Warum er einst mit Frau und Kindern nach Frankreich gegangen ist? „Es war die Zeit, in der Architektu­r unter Präsident François Mitterrand im ganzen Land ein wichtiges gesellscha­ftliches Thema war“, berichtet Feichtinge­r. Er habe sich angezogen gefühlt und den Sprung auch ohne französisc­he Sprachkenn­tnisse gewagt. Bald habe er an Wettbewerb­en teilgenomm­en und erste Erfolge gelandet. 1998 gewann er den Wettbewerb der Passerelle Simone-de-Beauvoir über die Seine. Die Brücke mit einer Gesamtläng­e von 304 und einer freien Spannweite von 190 Metern ist die erste der 37 Pariser Brücken, die den Namen einer weiblichen Persönlich­keit trägt. „Ich bin mit meiner Frau Barbara nach Paris gekommen, um zu schauen, aber wir sind gerne geblieben“, sagt Feichtinge­r, der in Wien eine Dependance seines Pariser Architektu­rbüros betreibt.

Der 55-Jährige, der immer wieder Graz besucht, hat den Ruf, offen und ohne ideologisc­he Ausrichtun­g Bauten zu entwickeln, die sich als Orte der Begegnung und der Kommunikat­ion verstehen. Egal ob es sich um ein Schulgebäu­de in Gloggnitz in Niederöste­rreich, ein Studentenw­ohnheim in Paris, ein steirische­s Kunsthaus in Weiz oder um die Dreiländer­brücke über den Rhein handelt: uneitle, benutzerfr­eundliche Architektu­r eben, die gleichzeit­ig hohe baukünstle­rische Qualität aufweist.

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BILD: SN/WWW.BIGSHOT.AT / CHRISTIAN JUNGWIRTH Der Architekt Dietmar Feichtinge­r in der von ihm vorgenomme­nen Neustruktu­rierung des Studio Molière in Wien.

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