„1200 Studienplätze mehr pro Jahr“
Die Fachhochschulen fordern von der künftigen Bundesregierung einen massiven Ausbau. Der größte Bedarf wird in angewandten Wissenschaften gesehen. Wie wird sich das Verhältnis zu den Universitäten verändern?
Der Geschäftsführer der Fachhochschule Salzburg, Raimund Ribitsch, ist Präsident der Österreichischen Fachhochschulkonferenz (FHK). Im SN-Gespräch erläutert er die Forderungen der Fachhochschulen an die künftige Bundesregierung. SN: Die Fachhochschulen haben der künftigen Bundesregierung einen SechsPunkte-Plan vorgelegt. Was sind die Schwerpunkte? Ribitsch: Wir brauchen in der Wissenschaft und Forschung eine starke Besinnung auf die Output-Faktoren, also darauf, was wir mit unserem durchaus beachtenswerten Input an Innovationskraft erreichen. Die Fachhochschulen zeichnen sich durch eine hohe Effizienz aus. Die internationalen Expertisen, die einen starken Ausbau der Fachhochschulen fordern, wurden bisher aber nicht ernst genommen. Die Fachhochschulen machen derzeit nur 13 Prozent des tertiären Bildungssektors – Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen, Privatuniversitäten – aus. SN: Was wollen Sie erreichen? Mittelfristig soll laut Bericht des Wissenschaftsministeriums der Anteil der Fachhochschulen 30 Prozent betragen, langfristig 60 Prozent. Der Anteil der Fachhochschulen soll daher in den nächsten fünf Jahren auf vorerst gut 20 Prozent steigen. Das wären 1200 zusätzliche Anfängerstudienplätze pro Jahr. SN: Gibt es dabei inhaltliche Schwerpunkte? Es geht vor allem um die anwendungsorientierten Wissenschaften, konkrete um angewandte Wirtschaftswissenschaften, angewandte Informatik, angewandte Medienund Kommunikationswissenschaften. Ein weiterer Schwerpunkt sollen Kombinationsstudien wie Wirtschaft und Recht oder Übersetzen und Dolmetschen sein.
Eine große Entwicklung wird es bei den angewandten Gesundheitsund Sozialwissenschaften geben, weil der Bedarf an der gehobenen Pflegeausbildung stark steigt. Dabei ist es dringend erforderlich, dass es in den Gesundheitswissenschaften zu den Bachelor-Studiengängen auch weiterführende Master-Studiengänge gibt. Da sitzen wir bei der Finanzierung noch zwischen den Stühlen von Bund und Ländern. SN: Liegen die Pläne für die 1200 zusätzlichen Studienplätze schon in den Schubladen? Wer bekommt diese Plätze? Die Grundlage ist der Fünf-JahreEntwicklungsund Finanzierungsplan des Wissenschaftsministeriums. Jede Fachhochschule kann sich bewerben, sobald Studienplätze ausgeschrieben werden.
Zu Ihrer Frage, ob die Fachhochschulen genügend Pläne in der Schublade haben, verweise ich auf die jüngste Ausschreibungsrunde im Sommer 2017. Dabei hat das Ministerium 450 Studienplätze ausgelobt und die Fachhochschulen haben rund 1700 Studienplätze eingereicht. Die angebotenen 450 Plätze haben also den Bedarf der Fachhochschulen und der Wirtschaft bei Weitem nicht gedeckt. SN: Eine Forderung ist die Betreuung von Doktoranden an den Fachhochschulen. Die Forderung nach Studiengängen zur Promovierung von Studierenden ist darin begründet, dass die Fachhochschulen gesetzlich zu Forschung und Entwicklung verpflichtet sind. Die österreichischen Fachhochschulen haben insgesamt derzeit Forschungserlöse im Verhältnis wie die Universität Wien. Das Besondere der Fachhochschulen ist, dass sie ihre Forschung an der Schnittstelle von Wirtschaft und Industrie auf der einen und Wissenschaft auf der anderen Seite haben. Das ist in der Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Unternehmen besonders effektiv, weil die Eintrittsschwelle zur Forschung durch die Nähe sehr niedrig ist. Dazu kommt, dass wir uns angewandten Forschungsthemen widmen, die sich an den Universitäten meist nicht finden. Die Universitäten forschen grundlagenorientiert. SN: Ein Einwand ist, dass die Fachhochschulen nicht das notwendige habilitierte Personal für die Betreuung von Dissertationen haben. Richtig ist, dass die Fachhochschulen vorerst nicht sehr viele habilitierte Lehrende haben. Wir sind uns bewusst, dass die von uns angestrebten Doktoratsprogramme kein Massenphänomen sein werden. Es soll ein Zusatzangebot sein, das besonders forschungsstarke und personell entsprechend aufgestellte Fachhochschulen anbieten können. SN: Wollen die Fachhochschulen immer mehr wie die Unis werden? Wir sehen im internationalen Vergleich, dass der anwendungsstarke Doktorand bei uns in Österreich besser entwickelt werden muss. Wir hören diesen Bedarf aus Wirtschaft und Industrie. Genau da sehen wir den Platz für Doktoratsstudien an Fachhochschulen. SN: Was dürfen Studierende in den nächsten fünf Jahren von Fachhochschulen erwarten? Etwa Richtung Qualität? Fachhochschulen sind seit Beginn extern qualitätsgesichert, weil alle Studiengänge extern akkreditiert werden müssen. Das wird bis auf Weiteres so bleiben. Dazu kommt, dass das Qualitätsmanagementsystem befristet ist und alle sieben Jahre zertifiziert werden muss. SN: Ist die externe Akkreditierung angesichts des ständig wachsenden Sektors der Fachhochschulen noch zeitgemäß? Deutsche Fachhochschulen gehen stark in die Richtung, dass sie das System Fachhochschule extern akkreditieren lassen und ihre einzelnen Studiengänge selbst akkreditieren können. Insofern ist das auch für Österreich ein Thema. Allerdings hängen bei uns die externe Akkreditierung der Studiengänge und die Finanzierung der dafür notwendigen Studienplätze engstens zusammen. Wir könnten zwar selbst Studiengänge akkreditieren, aber die Finanzierung dieser Studienplätze wäre nicht gesichert.
Erfreulich ist, dass auch im derzeitigen Akkreditierungssystem von der Entwicklung und Genehmigung eines neuen Studiengangs bis zu den ersten Absolventinnen und Absolventen nur vier Jahre vergehen. An den Fachhochschulen schaffen 80 Prozent der Studienanfänger tatsächlich den Abschluss.
„80 Prozent schaffen den Abschluss.“Raimund Ribitsch, Präsident der FHK