Mit einem Reifentanz beginnt das Winterfest
Schwerkraft lässt sich besiegen. Unmögliches kann gelingen und sogar Spaß machen. Beweise dafür liefert das Winterfest.
Mit der Reifenbändigerin Jade Dussault von der kanadischen Zirkustruppe Flip FabriQue hat das Winterfest in Salzburg begonnen. Sie lässt die Reifen in viele Richtungen tanzen, erzeugt Reifenkreuzungen und Reifenschichtungen und tanzt selbst dabei auf ihren Füßen ebenso wie auf ihren Händen.
SALZBURG. Oft wundert man sich, wie mühelos Ameisen, Schnecken oder Mäuse eine senkrechte Wand hinaufkommen, während man selbst, als Mensch, schon in steiler schiefer Ebene um Kraft und Balance ringt. Aber wie ist erst zu bestaunen, was die Artisten der kanadischen Truppe Flip FabriQue am Ende ihrer Aufführung beim Salzburger Winterfest vollbringen! Sie rennen eine etwa fünf Meter hohe Wand hinauf und machen oben sogar Luftsprünge und Salti. Das gelingt noch dazu in scheinbar endlosen Wiederholungen und mit anmutiger Leichtigkeit.
Freilich gibt es einen Trick: Am Fuß des Bühnenturms ist ein Trampolin aufgespannt. Auf dieses – mit schätzungsweise dreieinhalb oder vier Metern Fallhöhe – lassen sich die Artisten aus Québec rücklings hinunterplumpsen. Nicht mittels jener Fußgelenke, die vom Sprung ihren Namen haben, sausen sie in die Höhe, sondern sie drücken sich mit ihren Rücken so ab, dass sie mit Füßen an der Wand hinaufrennen. Ausrufe von Zorn – wie „Das bringt mich auf die Palme!“oder „Das ist ja zum Die-Wände-Hinaufrennen!“– werden hier heiter und virtuos ad absurdum geführt.
Überhaupt lösen die sechs Artisten aus Québec oft das Schwere und Schwierige in scheinbar leichte Spielerei auf. „Fang mich“(französisch: „Attrape-Moi“) heißt ihr rund 75-minütiges Programm, weil sie einander immer wieder sich selbst – also ihre Körper – zuwerfen, was ein grandioses Wechselspiel von Akrobatik und Spiel, von Springen und Fangen, man kann sogar sagen: von Luftfahrt und Landen ergibt.
Als Leitmotiv der Aufführung wird die Begegnung alter Freunde angegeben. Das Ergebnis ist zwar – anders als an einigen WinterfestAbenden der Vorjahre – keine konzise Erzählung. „Attrape-Moi“ist viel eher eine Aufreihung akrobatischer Nummern. Die allerdings sind so bezaubernd und betörend, dass auch fluguntüchtige Zuschauer einsehen: Scheinbar Unmögliches kann gelingen – sogar mit Lächeln. Da fliegt ein sich nur mit einer Hand an einem Band haltender Artist minutenlang durchs Zelt, Bälle tanzen in der Luft, rot glänzende Reifen wirbeln um Körper. Nebenbei wird auf einer Stange so virtuos hinaufund hinuntergeklettert, dass Eichhörnchen neidisch werden.
Und auch ohne Handlungsstrang kommt Freundschaft zur Geltung – im Spaß der Truppe oder wenn etwa Jade Dussault, die neben fünf Burschen einzige Dame, einbeinig auf den Handtellern eines Kollegen steht, hoch über dessen Kopf ihr linkes Bein seitlich wegstreckt und zugleich ihren Körper nach rechts fallen lässt, wo drei Burschen sie auffangen. Welch hinreißendes Bild für Vertrauen und Verlässlichkeit!
„Attrape-Moi“war am Dienstagabend die erste Premiere des Winterfestes, das Salzburg bis 7. Jänner wieder zur österreichischen ZirkusHauptstadt macht. Neben mehreren Gastspielen und Konzerten kommt eine Neuerung zur Geltung: die Nachswuchsartisten des Vereins „Mota“aus dem ersten österreichischen Circustrainingscentrum in Gnigl zeigen am 8. und am 9. Dezember ihr erstes Bühnenstück.