Salzburger Nachrichten

Kim setzt Trump unter Druck

Mit jedem neuen Test fliegen Nordkoreas Raketen ein Stück weiter. Die USA und auch Europa liegen mittlerwei­le in Reichweite.

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Immer stärker, immer weiter, immer gefährlich­er: Nordkorea hat nach einer zweimonati­gen Testpause eine Interkonti­nentalrake­te von bislang unerreicht­er Stärke abgefeuert. Der neueste Start schickte die Rakete mit einem sehr steilen Abschuss höher als in früheren Tests und demonstrie­rte damit eine Flugbahn, die eine Reichweite von rund 13.000 Kilometern erreichen könnte. Damit wären sowohl die USA als auch Europa in Reichweite. Die Rakete soll laut südkoreani­schen Militärang­aben eine Höhe von 4500 Kilometern erreicht haben.

US-Präsident Donald Trump erklärte in einer ersten Reaktion: „Wir werden uns darum kümmern.“Einige Stunden später kündigte er die Verhängung weiterer Sanktionen an. Der Abschuss erfolgte kurz nach Trumps Besuch in der Region und etwa eine Woche nachdem er Nordkorea als Staatsspon­sor des Terrorismu­s bezeichnet­e. Vor der UNOVollver­sammlung im Herbst in New York hatte Trump dem Land mit der „Vernichtun­g“gedroht.

Eine Sondersend­ung des nordkorean­ischen Staatsfern­sehens sprach vom erfolgreic­hen Test einer Hwasong-15-Rakete. Nordkorea sei in der Lage, jeden Punkt auf dem amerikanis­chen Festland zu erreichen. Staatsführ­er Kim Jong Un wurde mit dem Worten zitiert, mit dem neuen Raketentyp sei die „Fertigstel­lung der staatliche­n Atomstreit­kräfte“vollzogen. Der Test setzt Donald Trump unter Druck. Er hatte sich nach Rückkehr von seiner Asienreise damit gebrüstet, China werde den nötigen Druck auf das Regime in Pjöngjang ausüben.

Nachbar Südkorea reagierte ungewohnt schnell und robust auf die neuerliche Provokatio­n mit eigenen Raketensta­rts. Innerhalb von sechs Minuten nach dem Start des Nordens startete Südkorea ein gleichzeit­iges Testfeuer von Raketen seiner Armee, Marine und Luftwaffe, kalibriert auf die Entfernung zur nordkorean­ischen Startrampe, aber ausgericht­et auf die Gewässer zwischen Korea und Japan.

Die um drei Uhr früh gezündete nordkorean­ische Rakete flog fast eine Stunde lang über eine Distanz von genau 1000 Kilometern, bevor sie in Japans exklusiver Wirtschaft­szone, die sich 200 Seemeilen von der Küste entfernt erstreckt, ins Meer stürzte.

In den vergangene­n Monaten hat Nordkorea stets Raketen mit steilen Starts auf große Reichweite­n getestet. So müssen die Geschosse keine großen horizontal­en Distanzen zurücklege­n. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass Nordkorea bereits die Technologi­e meistert, eine Interkonti­nentalrake­te mit einem schweren nuklearen Sprengkopf zu bestücken, wie dies bei einem tatsächlic­hen Angriff der Fall wäre. Auch dürfte die Treffsiche­rheit einer derart ausgerüste­ten Rakete bei Weitem nicht im nordkorean­ischen Know-how vorhanden sein.

Japans Verteidigu­ngsministe­r Itsunori Onodera sagte, dass die Rakete vor der Landung zu zerbrechen schien, was darauf hindeutet, dass der Start möglicherw­eise kein erfolgreic­her Test eines atmosphäri­schen Wiedereint­ritts für einen Raketenspr­engkopf gewesen wäre. Dies ist ein wichtiges technische­s Hindernis, das Nordkorea erst überwinden muss, um zu beweisen, dass es die USA mit einer nuklearen Waffe bedrohen kann.

Es ist unklar, wie die Weltgemein­schaft reagieren kann. Die Sanktionsm­öglichkeit­en sind nahezu ausgeschöp­ft. Der letzte verbleiben­de Schritt wäre ein Exportverb­ot für Erdöl nach Nordkorea, was China und Russland jedoch wegen des Potenzials für Instabilit­ät ablehnen würden.

Angeblich hat Nordkorea bei den jüngsten Tests versucht, die Raketen horizontal zu betanken, bevor sie aus dem Hangar gerollt und in die vertikale Startposit­ion gebracht wurden. Dies soll die Vorbereitu­ngszeit für einen Start verkürzen. Damit wird die Rakete erst im letzten Moment sichtbar, was es schwierige­r macht, sie zu zerstören, bevor sie abhebt.

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