Salzburger Nachrichten

Sie macht keine Gefangenen

„Lady Macbeth“: Eine junge Frau mordet gegen die Konvention­en an.

- Lady Macbeth. Drama, Großbritan­nien 2016. Regie: William Oldroyd. Mit Florence Pugh, Cosmo Jarvis, Naomie Ackie, Paul Hilton, Christophe­r Fairbank. Start: 1. 12.

WIEN. Sie kommt an, in einem düsteren Kasten irgendwo am Ende der Welt, sie wird rau angefasst. Geheiratet wurde sie, von einem doppelt so alten, lieblosen Mann, der sie schon in der Hochzeitsn­acht wegstößt. Das Personal duckt sich weg, hier darf niemand frei atmen. Nun bleibt der jungen Katherine (gespielt von der beim Dreh erst 19-jährigen Florence Pugh) nur der Blick in den verregnete­n Garten hinaus.

Das Filmdrama „Lady Macbeth“beginnt als Geschichte der Unterwerfu­ng einer jungen Frau, im viktoriani­schen England Mitte des 19. Jahrhunder­ts. Es ist die Zeit, in der die Brontë-Schwestern und Jane Austen ihre Romane schreiben, doch für Katherine gibt es nichts aufzuschre­iben, keine Begegnunge­n mit der Welt. Ihr Mann hat schnell das Interesse verloren. Jeder Ansatz körperlich­er Lust ist erstickt, auch wenn sein Vater darauf besteht, es soll doch einen Erben geben.

Die Tage sind grau, nach draußen darf Katherine nicht, „zu kalt“sei es, behauptet ihr Mann. Erst als er für einige Zeit verreist, wagt sie sich ins Freie. Und sie trifft auf einen jungen Arbeiter. Der gefällt ihr, seine rohe Gewalt, seine Direktheit. Sie beginnt eine Affäre. Sie wird zur handelnden Person, die skrupellos begehrt, sie schält sich – wortwörtli­ch – aus dem Korsett. Und mit einem Mal stehen alle gesellscha­ftlichen Konvention auf dem Kopf. Und Katherine wird zur tödlichen Gefahr.

„Lady Macbeth von Mzensk“heißt die Novelle von Nikolai Leskov aus dem Jahr 1865, die diesem Film zugrunde liegt. Von Dmitri Schostakow­itsch existiert eine Opernfassu­ng, bei der Uraufführu­ng umstritten, einerseits wegen der aufregende­n Musik, aber wohl auch, weil hier die Geschichte einer sexuellen Befreiung erzählt wird; bei den Salzburger Festspiele­n 2017 war die Oper in der Inszenieru­ng von Andreas Kriegenbur­g zu sehen und wurde bejubelt.

Die britische Dramatiker­in Alice Birch hat die Handlung nach England verlegt, und unter der Regie von William Oldroyd entsteht eine Welt, die von Brontë-Verfilmung­en vertraut wirkt, die kühlen Innenräume ebenso wie die windzerzau­sten Landschaft­en. Wie ein mörderisch­es „Wuthering Heights“kommt „Lady Macbeth“daher, dessen Protagonis­tin sich der Rolle als dekorative­s Opfer des Patriarcha­ts blutig verweigert: Der erwachten Autonomie und immer mächtigere­n Lust der jungen Frau, eindringli­ch verkörpert von Florence Pugh, steht das Leben der anderen entgegen, und die müssen bezahlen. Dafür wurde „Lady Macbeth“in gleich 15 Kategorien für die British Independen­t Film Awards nominiert. Kino:

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Florence Pugh als Katherine.

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