Sie macht keine Gefangenen
„Lady Macbeth“: Eine junge Frau mordet gegen die Konventionen an.
WIEN. Sie kommt an, in einem düsteren Kasten irgendwo am Ende der Welt, sie wird rau angefasst. Geheiratet wurde sie, von einem doppelt so alten, lieblosen Mann, der sie schon in der Hochzeitsnacht wegstößt. Das Personal duckt sich weg, hier darf niemand frei atmen. Nun bleibt der jungen Katherine (gespielt von der beim Dreh erst 19-jährigen Florence Pugh) nur der Blick in den verregneten Garten hinaus.
Das Filmdrama „Lady Macbeth“beginnt als Geschichte der Unterwerfung einer jungen Frau, im viktorianischen England Mitte des 19. Jahrhunderts. Es ist die Zeit, in der die Brontë-Schwestern und Jane Austen ihre Romane schreiben, doch für Katherine gibt es nichts aufzuschreiben, keine Begegnungen mit der Welt. Ihr Mann hat schnell das Interesse verloren. Jeder Ansatz körperlicher Lust ist erstickt, auch wenn sein Vater darauf besteht, es soll doch einen Erben geben.
Die Tage sind grau, nach draußen darf Katherine nicht, „zu kalt“sei es, behauptet ihr Mann. Erst als er für einige Zeit verreist, wagt sie sich ins Freie. Und sie trifft auf einen jungen Arbeiter. Der gefällt ihr, seine rohe Gewalt, seine Direktheit. Sie beginnt eine Affäre. Sie wird zur handelnden Person, die skrupellos begehrt, sie schält sich – wortwörtlich – aus dem Korsett. Und mit einem Mal stehen alle gesellschaftlichen Konvention auf dem Kopf. Und Katherine wird zur tödlichen Gefahr.
„Lady Macbeth von Mzensk“heißt die Novelle von Nikolai Leskov aus dem Jahr 1865, die diesem Film zugrunde liegt. Von Dmitri Schostakowitsch existiert eine Opernfassung, bei der Uraufführung umstritten, einerseits wegen der aufregenden Musik, aber wohl auch, weil hier die Geschichte einer sexuellen Befreiung erzählt wird; bei den Salzburger Festspielen 2017 war die Oper in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg zu sehen und wurde bejubelt.
Die britische Dramatikerin Alice Birch hat die Handlung nach England verlegt, und unter der Regie von William Oldroyd entsteht eine Welt, die von Brontë-Verfilmungen vertraut wirkt, die kühlen Innenräume ebenso wie die windzerzausten Landschaften. Wie ein mörderisches „Wuthering Heights“kommt „Lady Macbeth“daher, dessen Protagonistin sich der Rolle als dekoratives Opfer des Patriarchats blutig verweigert: Der erwachten Autonomie und immer mächtigeren Lust der jungen Frau, eindringlich verkörpert von Florence Pugh, steht das Leben der anderen entgegen, und die müssen bezahlen. Dafür wurde „Lady Macbeth“in gleich 15 Kategorien für die British Independent Film Awards nominiert. Kino: