Der lange Weg vom Tagebuch zum Big Business
Immer mehr Österreicher bloggen. Doch nur geschätzt zwei Prozent können von ihrer Tätigkeit leben. Es gibt aber auch Blogger, die für ein Posting 70.000 Euro verlangen können.
SALZBURG. Birgit Strohmeiers Blog hätte eigentlich gar keiner werden sollen. Vielmehr war er als virtueller Spickzettel gedacht – einer, der aus der Not geboren wurde. „Als mein zweites Kind zur Welt kam, hatte ich Gedächtnisstörungen, ich konnte mir Sachen sehr schlecht merken“, beschreibt Strohmeier. Ihr Mann schlug ihr deshalb vor, die Sachen aufzuschreiben. „Und zwar ins Internet. Denn dann sind sie immer dort, wo ich auch bin.“
Aus dieser privaten Gedächtnisstütze ist mittlerweile einer der größten Familienblogs Österreichs geworden. Seit 2009 plaudert Strohmeier auf muttis-blog.net aus „Muttis Nähkästchen“. Nach ein paar Jahren hätten die Zugriffe derart zugelegt, dass die Oberndorferin ihren Blog professionalisierte. Mittlerweile kommt das „Nähkästchen“auf rund 180.000 Leser monatlich. „Am Anfang habe ich mir gedacht, dass nach zwei, drei Jahren alles gesagt sein wird. Aber das war wohl das Wunschdenken einer Mutter (lacht, Anm.).“Mit den heranwachsenden Kindern ergäben sich immer wieder neue Themen.
Birgit Strohmeier ist eine rund 130 Familienbloggern in von Österreich. Die gesamte heimische Bloggingszene besteht aus „grob 2000 bis 3000 Bloggern“, wie Christina Neumeister-Böck erläutert. Neumeister-Böck ist Geschäftsführerin von N.B.S Hotels & Locations, einem Unternehmen, das sich Tourismusmarketing und Messenorganisation widmet. Seit 2016 veranstaltet N.B.S die ABCstar, Österreichs größte Bloggerkonferenz in Linz. „In der Bloggingszene ist unglaublich viel Dynamik drinnen“, beschreibt Neumeister-Böck.
Diese Dynamik belegt auch ein Blick auf Blogheim.at: Auf der MetaPlattform für die heimische Bloggingszene sind aktuell 2266 Blogger registriert. Und zumindest die Stars der Szene verdienen mit ihrer Tätigkeit gutes Geld. Der Jahresverdienst der italienischen Modebloggerin Chiara Ferragni soll laut „Forbes“bereits 2015 rund acht Millionen Dollar (6,7 Millionen Euro) betragen haben, wenngleich 70 Prozent ihre eigene Schuhmarke eingespielt haben soll. Dadurch würde ihr Blog aber immer noch mehr als zwei Millionen Euro erwirtschaften. Der britische „Independent“schätzt, dass ein Instagram-Posting von Ferragni, in dem sie etwa für ein Modeprodukt Werbung macht, bis zu 70.000 Euro wert sein kann. Auf Instagram hat die 30-Jährige Abonnenten.
Doch die meisten Blogger sind von den Ferragni-Sphären weit entfernt. Birgit Strohmeiers Blog bringt ihr zwar „schon substanziell Geld“. Aber sie müsste ihre Lebensansprüche zurückschrauben, um davon leben zu können. Ihr täglich Brot verdient Strohmeier deshalb als Leiterin der PR beim Forschungsinstitut Salzburg Research. ABCstar-Veranstalterin 11,1 Millionen Christina NeumeisterBöck schätzt, dass gerade mal zwei Prozent der Blogger von ihrer Tätigkeit leben können. Und zwar durch einen Mix aus Werbung, bezahlten Präsentationen und Beteiligungen bei Verkäufen, die über den Blog angeregt wurden. Oft noch lukrativer seien Tätigkeiten, die sich um den Blog herum ergeben, etwa Vorträge oder freie Tätigkeiten als Texter.
Die Branche sei „auf jeden Fall ein Zukunftsmarkt“, ergänzt Neumeister-Böck. Doch gilt die Bloggingsze- ne nicht seit Ende der 90er als Zukunftsmarkt? „Ja, das ist richtig“, sagt Neumeister-Böck. Und final erklären könne sie es auch nicht, wieso das Segment nicht schon längst noch breiter aufgestellt sei. Einen Erklärungsansatz hat sie aber: Die Werbewirtschaft sei mitschuldig. „Jeder weiß, dass Blogger wichtig sind – und dennoch ist man gern immer noch vorsichtig, wenn es darum geht, Blogger zu unterstützen.“
Immerhin, das Bild des Bloggers hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Mittlerweile muss man nicht mal einen Blog haben, um Blogger zu sein. Immer mehr WebAutoren reicht es, Social-MediaPlattformen wie Instagram oder Facebook zu bespielen. „Rein nach der Definition sind das Blogger. Es geht darum, eine Art Tagebuch ins Netz zu stellen. Wie das gemacht wird, ist jedem selbst überlassen“, sagt Neumeister-Böck. Für Birgit Strohmeier ist ein reiner „Instagramer“kein Blogger. „Aber das liegt vielleicht an meiner Old-School-Sicht.“Auch der Begriff „Influencer“als Synonym für jene, die durch ihre Postings Werbekunden beeinflussen, gefällt der 41-Jährigen nicht. „,Influencer‘ hört sich gefährlich an“, ergänzt sie augenzwinkernd. „Das klingt wie eine Krankheit.“
„,Influencer‘ klingt wie eine Krankheit.“