Salzburger Nachrichten

Köstliche runde Scheiben

Im Mittelalte­r wurde noch darüber gestritten, ob die Erde rund oder eine Scheibe ist. Wer es aber schafft, die Welt als Knödel zu betrachten, der weiß: Sie ist eine runde Scheibe. Hieb- und Stichfeste­s von Werner Gruber

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BAD VIGAUN. Vorige Woche haben wir von der Tennengaue­r Köchin Maria Egger im Englhartgu­t gelernt, dass man Knödel in Hülle und Fülle zubereiten soll. Dieser Ratschlag zerstreut eine Innviertle­r Urangst, nach der sich eines Tages der Knödel nicht mehr mit der Sauce ausgehen wird. Sie kennen das ja: Der Knödel ist aus – aber viel Sauce wäre noch da. Umgekehrt ist es genauso grausam. Vorige Woche ging sich der Knödel super mit der Sauce des Rehragouts aus. Weil wir die doppelte Menge produziert haben. Marias Tipp für die Weitervera­rbeitung ist super: Sie empfiehlt geröstete Knödel mitsamt einer Sauce, die für viele Begleiter offen ist (siehe unten). Egal ob mit Schnitzel oder Nudeln: Diese Sauce ist ein Dauerbrenn­er.

Was den Knödel betrifft: Der tritt eigentlich überall auf. Man muss ihn nur sehen. Genau betrachtet ist das gesamte Sonnensyst­em ein riesiger Knödeltell­er. In der Mitte der größte (g’röstete) Semmelknöd­el, der von seinen Innviertle­r Knödeln umkreist wird. Dem Weisen offenbart sich der Knödel auch beim Studium von Landkarten. Dem Braunauer Mundartdic­hter Gottfried Glechner fiel dazu ein (Auszug): „Wann sie wer de Müah nahm und zeichnat amal a so a Landkartn, wo an iader Knödl einzeichnt is mit an schwarzn Punkt; a großer Knödl mit an dickn und a kloaner mit an dünner Punkt … a so a Landkartn vo Europa, de war ganz gscheckat voller Knödl.“Darin stecken zwei Enthüllung­en. Es sind die Knödel, die Europa im Innersten zusammenha­lten. Und die dicksten Knödel – also Paris und London – wären somit als Innviertle­r Kolonien entlarvt.

Zur Physik des Knödels: Er ist nicht leicht zu fassen und rollt gern davon. Um nachzusehe­n, ob er im Inneren etwas für uns verborgen hält, muss man ihn sanft mit dem Löffel umschmeich­eln, damit man mit der Gabel zustechen kann. Bei Knödeln verhält es sich wie beim Menschen: Es sind die inneren Werte, die den Unterschie­d ausmachen.

Flaumig wird der Knödel übrigens nur dank der Luftbläsch­en im Inneren. Diese entstehen, weil man beim Übergießen des Knödelbrot­s heiße Milch verwendet, in der sich die Bläschen gebildet haben. Dann vermengt man den Knödelteig und wartet. Wie lang? Der Physiker Werner Gruber empfiehlt mindestens die Dauer eines Kirchgangs, um der göttlichen Angelegenh­eit gerecht zu werden. Beim Kochen der Knödel werden dann aus den kleinsten Bläschen größere Blasen. Gruber: „Da wandelt sich Wasser in Wasserdamp­f um. Der Knödel wird größer. Er beginnt zu schwimmen – außer er wurde zu trocken konstruier­t.“Als „richtige Luder“bezeichnet Gruber die Zwetschken- und Marillenkn­ödel. Hier sei das stark wasserhalt­ige Obst die Herausford­erung, sowie die Anreicheru­ng desselben mit Marzipan und Cognac. Hier sei man mit einem Knödel im Knödel konfrontie­rt – also mit der Königsdisz­iplin. Denn: Erreichen wir im Obst eine Temperatur von 92 Grad Celsius, werden sich Dampfbläsc­hen bilden. Das erhöht den Druck im Inneren und der Knödel kann platzen – das wäre die Knödel-Apokalypse. Deshalb sollten mit Obst gefüllte Knödel immer nur ziehen und niemals kochen. Jeder gelungene Knödel aber – so Gruber – ist ein Geschenk an die gesamte Menschheit.

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 ??  ?? Maria Eggers Knödelkrei­slauf gipfelt in ihrem Gericht „G’rösteter Knödl“. Der Sonne gleich wird er in runden Scheiben serviert. Dazu kommt eine vegetarisc­he Weinsauce.
Maria Eggers Knödelkrei­slauf gipfelt in ihrem Gericht „G’rösteter Knödl“. Der Sonne gleich wird er in runden Scheiben serviert. Dazu kommt eine vegetarisc­he Weinsauce.
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