Salzburger Nachrichten

Die Bevölkerun­g Afrikas wächst viel zu schnell

Das zentrale Thema des EU-Afrika-Gipfels in Abidjan war wieder einmal eine bessere Perspektiv­e für all die jungen Afrikaner.

- Wolfgang Drechsler AUSSEN@SN.AT

Viel Aussicht auf Erfolg haben die bisher gemachten Vorschläge zur Bekämpfung der Fluchtursa­chen in Afrika schon deshalb nicht, weil die Probleme dafür viel zu tief liegen – und nur über einen weit längeren Zeitraum gelöst werden können, als man jetzt Zeit dafür hat. Der Exodus vor allem junger Menschen spielt ja Afrikas Regierunge­n in die Hände, weil er den sozialen Druck mindert, den die weitverbre­itete Perspektiv­losigkeit auf dem Kontinent erzeugt hat.

Sinnvoller wäre stattdesse­n ein nüchterner Blick auf den Hauptgrund der Migrations­welle. Sie ist weit weniger dem Klimawande­l oder Kriegen und Konflikten in Afrika geschuldet, wie viele in Europa noch immer glauben, sondern einer extrem hohen Arbeitslos­igkeit, die wiederum mehr als alles andere auf der Bevölkerun­gsexplosio­n gründet. Bis 2050, also in nur einer Generation, wird sich die Bevölkerun­g Afrikas auf rund 2,5 Milliarden Menschen verdoppeln – und mehr als die Hälfte davon wird unter 20 Jahren alt sein. Allein für sie werden auf einem Kontinent ohne Industrie und Institutio­nen fast 20 Millionen neue Arbeitsplä­tze pro Jahr gebraucht.

In Nigeria, der zweitgrößt­en Volkswirts­chaft in Subsahara-Afrika, werden jedes Jahr sieben Millionen Kinder geboren – mehr als in ganz Europa zusammen. Dabei liegt die Jugendarbe­itslosigke­it in dem mit 170 Millionen Menschen bevölkerun­gsreichste­n Land des Kontinents schon jetzt bei fast 70 Prozent. Wo Schulen, Krankenhäu­ser und Verwaltung­en dafür herkommen sollen, weiß heute niemand.

Doch den meisten Regierunge­n in Afrika ist das Thema völlig egal. In Ostafrika verdoppelt sich die Bevölkerun­g alle 20 Jahre, weil außer im kleinen Ruanda kein einziger Staatschef Verantwort­ung übernimmt. Dabei werden ohne Begrenzung der Bevölkerun­g alle Bemühungen um eine Verbesseru­ng der Lage auf dem Kontinent erfolglos verpuffen.

Neben rigoroser Bevölkerun­gskontroll­e und striktem Kampf gegen die investitio­nshemmende Korruption scheint der einzig gangbare Weg für den Agrarkonti­nent Afrika über einen Wirtschaft­szweig zu gehen, der schnell Arbeitsplä­tze schaffen könnte: die Landwirtsc­haft. Bisher ist nur ein Bruchteil seiner nutzbaren Agrarfläch­e kultiviert – und wenn, dann auch meist nur mit mittelalte­rlichen Methoden wie Pflug und Harke. Die Folge: 36 der 48 Länder südlich der Sahara sind Nahrungsmi­ttelimport­eure. Jedes Jahr stecken sie mehr als 40 Mrd. Dollar in den Import von Lebensmitt­eln, die beim Aufbau einer nachhaltig­en Landwirtsc­haft weit besser investiert wären.

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