Salzburger Nachrichten

Von wegen „Türkisch-Unterricht“

ÖVP und FPÖ tun gut daran, Deutsch an den Schulen zu forcieren. Wie ernst das gemeint ist, muss sich jedoch erst weisen.

- WWW.DIESUBSTAN­Z.AT Johannes Huber

Österreich bekommt es mit jeder PISA-Studie schwarz auf weiß präsentier­t: Gegenüber einheimisc­hen fällt das Leistungsn­iveau migrantisc­her Jugendlich­er in kaum einem anderen Land so stark ab; diese können schlechter lesen, schreiben und rechnen. Wobei es nicht so ist, dass die Politik das schulterzu­ckend zur Kenntnis nehmen würde. Im Gegenteil, sie behauptet immer wieder, Maßnahmen zu setzen. Das Problem bleibt jedoch.

Und so sickert es immer tiefer in die Gesellscha­ft: Jeder vierte Schüler spricht im Alltag nicht Deutsch; er hat also eine fremde Umgangsspr­ache. In Wien ist der Anteil besonders hoch. Dort beträgt er 50 Prozent und ist nach Schultypen sehr unterschie­dlich: An der Unterstufe von Gymnasien liegt er mit rund 40 Prozent deutlich unter dem Durchschni­ttswert, an Neuen Mittelschu­len mit mehr als 70 Prozent noch viel deutlicher darüber; in einigen Bezirken beträgt er fast 90 Prozent.

Das ist eine Botschaft: Zu höherer Bildung schaffen es relativ wenige Kinder mit Migrations­hintergrun­d. Und selbst wenn sie sich dafür qualifizie­ren, hat das noch nicht viel zu bedeuten: Gut die Hälfte scheitert in weiterer Folge nämlich. Sie fangen eine AHS-Oberstufe oder eine HTL an, kommen aber nicht bis zur Matura, sondern fliegen vorher raus. Das ist dem Analyseban­d „Bildung in Zahlen 2015/16“der Statistik Austria zu entnehmen.

Zumal diese Missstände auch im internatio­nalen Vergleich außergewöh­nlich sind, wäre es zu billig, die Schüler oder die Lehrer dafür verantwort­lich zu machen. Es handelt sich vielmehr um ein Systemvers­agen.

Vor diesem Hintergrun­d ist es nur gut, dass ÖVP und FPÖ die Sprachkenn­tnisse forcieren wollen: Wer’s nötig hat, soll ein zweites Kindergart­enjahr besuchen müssen. Eingeschul­t werden soll nur, wer Deutsch kann. Dadurch sollten sich die Verhältnis­se verbessern.

Wenn man es wirklich ernst meint. Zweifel nährt etwa der Spitzenkan­didat der niederöste­rreichisch­en FPÖ für die dortige Landtagswa­hl im Jänner: Udo Landbauer bezeichnet Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) als „Moslem-Mama-Mikl“, weil für Kindergärt­en interkultu­relle Mitarbeite­rinnen engagiert worden sind; sie sollen zum Beispiel zunächst ausschließ­lich Türkisch sprechende Kinder besser Deutsch lehren können. Wie soll das denn auch sonst gehen? Mittels Zeichenspr­ache? Die Lösung ist also vernünftig. Landbauer polemisier­t jedoch landauf, landab, es handle sich um „Türkisch-Unterricht“. Und das ergibt unterm Strich einen eklatanten Widerspruc­h: Man kann nicht Integratio­n fordern und zugleich Bemühungen darum attackiere­n. Es geht nur entweder oder. Sonst geht die ganze Sache in jedem Fall daneben.

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