Saudische Prinzen müssen sich freikaufen
Das Zauberwort lautet „vertretbare Vergleichsvereinbarung“. In einem Fall umfasste sie eine Milliarde Dollar.
Das in ein riesiges Gefängnis verwandelte Ritz-Carlton-Hotel von Riad hat einen Gast weniger. Der bis vor zwei Jahren als Thronfolger gehandelte saudische Prinz Miteb durfte dieser Tage aus der Nobelherberge „auschecken“, nachdem er den saudischen Behörden mehr als eine Milliarde Dollar überwiesen hatte. Bei dem Betrag handle sich um eine „vertretbare Vergleichsvereinbarung“.
Der 62-jährige Miteb habe die Veruntreuung von Staatsgeldern gestanden, heißt es in der saudischen Hauptstadt, wo mehr als 200 weitere saudische Prinzen, Ex-Minister und hohe Regierungsbeamte gegenwärtig noch dabei sind, ebenfalls „einen Vergleich“mit den Vertrauten des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman alias MBS auszuhandeln. Ihnen wird unter anderem Bestechung und Erpressung zur Last gelegt. Der mächtigste Mann in dem Wüstenkönigreich ist die treibende Kraft hinter einer „beispiellosen Antikorruptionskampagne“. Auf diese etwas irreführende Bezeichnung haben sich zumindest die großen Nachrichtenagenturen geeinigt.
Dass die Verhafteten keinen Rechtsanwalt kontaktieren konnten, also der Willkür der neu geschaffenen Antikorruptionsbehörde ausgeliefert sind, berichtet inzwischen die BBC, ohne freilich Zusatzfragen zu stellen. Stattdessen zitiert der Sender aus einem MBSInterview mit der „New York Times“, in dem der 32-Jährige behauptet, dass „95 der Verhafteten zu einer Einigung bereit sind“. Ungefähr 100 Milliarden Dollar könnten auf diese Weise sichergestellt werden, behauptet die saudische Staatsanwaltschaft. Wie die „Vergleichsvereinbarungen“geführt werden, bleibt im Dunkeln. Auch die Korruptionskriterien eines Landes, in dem ein Kronprinz keine Rechenschaft für den Kauf einer 500 Millionen Dollar teuren Yacht ablegen muss, sind völlig unklar. Berichte über Folter wurden empört dementiert. Die Antikorruptionsbehörde hat den Verhafteten zu verstehen gegeben, dass sie ihr Luxusgefängnis erst nach einem „vertretbaren Vergleich“verlassen können, vermutlich nach der Überschreibung ihres gesamten Vermögens. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich bei dem Vergleich nicht um ein Lösegeld handelt, das die ins Ritz Carlton „verlegten“Prinzen für ihre Freiheit bezahlen müssen.
Erst vier der 208 wegen Korruptionsverdachts Festgenommenen, unter ihnen Prinz Miteb, waren nach Berichten aus Riad zu einer „vertretbaren Vergleichsvereinbarung“bereit. Dass seit ihrer Verhaftung bereits drei Wochen vergangen sind, könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die „Vergleichsvereinbarungsverhandlungen“ doch schwieriger gestalten als erwartet.
Der größte Teil der Vermögenswerte der im Hotel Ritz Inhaftierten dürfte sich im Ausland befinden. Diese können nicht per Knopfdruck an die saudische Staatsbank überwiesen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die persönlichen Bankberater oder Kundenbetreuer (in Europa und den USA) der Inhaftierten wissen, dass ihre saudischen Kunden nicht aus freien Stücken handeln und sich womöglich weigern, „vertretbare Vergleichsvereinbarungen“abzuwickeln. US-Präsident Donald Trump hatte Saudi-Arabiens Vorgehen gegen zahlreiche Mitglieder der Königsfamilie und Investoren wegen angeblicher Korruption gelobt.