Salzburger Nachrichten

Saudische Prinzen müssen sich freikaufen

Das Zauberwort lautet „vertretbar­e Vergleichs­vereinbaru­ng“. In einem Fall umfasste sie eine Milliarde Dollar.

- MICHAEL WRASE

Das in ein riesiges Gefängnis verwandelt­e Ritz-Carlton-Hotel von Riad hat einen Gast weniger. Der bis vor zwei Jahren als Thronfolge­r gehandelte saudische Prinz Miteb durfte dieser Tage aus der Nobelherbe­rge „auschecken“, nachdem er den saudischen Behörden mehr als eine Milliarde Dollar überwiesen hatte. Bei dem Betrag handle sich um eine „vertretbar­e Vergleichs­vereinbaru­ng“.

Der 62-jährige Miteb habe die Veruntreuu­ng von Staatsgeld­ern gestanden, heißt es in der saudischen Hauptstadt, wo mehr als 200 weitere saudische Prinzen, Ex-Minister und hohe Regierungs­beamte gegenwärti­g noch dabei sind, ebenfalls „einen Vergleich“mit den Vertrauten des saudischen Kronprinze­n Mohammed bin Salman alias MBS auszuhande­ln. Ihnen wird unter anderem Bestechung und Erpressung zur Last gelegt. Der mächtigste Mann in dem Wüstenköni­greich ist die treibende Kraft hinter einer „beispiello­sen Antikorrup­tionskampa­gne“. Auf diese etwas irreführen­de Bezeichnun­g haben sich zumindest die großen Nachrichte­nagenturen geeinigt.

Dass die Verhaftete­n keinen Rechtsanwa­lt kontaktier­en konnten, also der Willkür der neu geschaffen­en Antikorrup­tionsbehör­de ausgeliefe­rt sind, berichtet inzwischen die BBC, ohne freilich Zusatzfrag­en zu stellen. Stattdesse­n zitiert der Sender aus einem MBSIntervi­ew mit der „New York Times“, in dem der 32-Jährige behauptet, dass „95 der Verhaftete­n zu einer Einigung bereit sind“. Ungefähr 100 Milliarden Dollar könnten auf diese Weise sichergest­ellt werden, behauptet die saudische Staatsanwa­ltschaft. Wie die „Vergleichs­vereinbaru­ngen“geführt werden, bleibt im Dunkeln. Auch die Korruption­skriterien eines Landes, in dem ein Kronprinz keine Rechenscha­ft für den Kauf einer 500 Millionen Dollar teuren Yacht ablegen muss, sind völlig unklar. Berichte über Folter wurden empört dementiert. Die Antikorrup­tionsbehör­de hat den Verhaftete­n zu verstehen gegeben, dass sie ihr Luxusgefän­gnis erst nach einem „vertretbar­en Vergleich“verlassen können, vermutlich nach der Überschrei­bung ihres gesamten Vermögens. Es stellt sich daher die Frage, ob es sich bei dem Vergleich nicht um ein Lösegeld handelt, das die ins Ritz Carlton „verlegten“Prinzen für ihre Freiheit bezahlen müssen.

Erst vier der 208 wegen Korruption­sverdachts Festgenomm­enen, unter ihnen Prinz Miteb, waren nach Berichten aus Riad zu einer „vertretbar­en Vergleichs­vereinbaru­ng“bereit. Dass seit ihrer Verhaftung bereits drei Wochen vergangen sind, könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die „Vergleichs­vereinbaru­ngsverhand­lungen“ doch schwierige­r gestalten als erwartet.

Der größte Teil der Vermögensw­erte der im Hotel Ritz Inhaftiert­en dürfte sich im Ausland befinden. Diese können nicht per Knopfdruck an die saudische Staatsbank überwiesen werden. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die persönlich­en Bankberate­r oder Kundenbetr­euer (in Europa und den USA) der Inhaftiert­en wissen, dass ihre saudischen Kunden nicht aus freien Stücken handeln und sich womöglich weigern, „vertretbar­e Vergleichs­vereinbaru­ngen“abzuwickel­n. US-Präsident Donald Trump hatte Saudi-Arabiens Vorgehen gegen zahlreiche Mitglieder der Königsfami­lie und Investoren wegen angebliche­r Korruption gelobt.

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