Salzburger Nachrichten

Mithilfe eines kleinen Spektakels unterstütz­t die Heilige Familie die Bitte um Almosen.

- Ernestine Hutter, Kuratorin Mechanisch­e Kastenkrip­pe um 1700.

Mit dem ersten Schnee hat einst für viele eine Notzeit begonnen – so bitter, dass sie um Almosen flehen mussten. Aber statt mit blanker Bitte machten sich viele mit etwas auf den Weg, womit sie etwaigen Gönnern vielleicht Nutzen oder Freude bereiten konnten. „Heischenge­hen“nannte man das mit der Bitte um Almosen verbundene Herumziehe­n – „heischen“wurzelt im Althochdeu­tschen und heißt „etwas erbitten“.

Ein fürs Heischenge­hen bei einsetzend­em Winter geeigneter Bauchladen, den man mit zwei Gurten über die Schultern gehängt hat, ist ab heute, Freitag, im Salzburg Museum ausgestell­t. Die darin geborgene Heilige Familie ist ebenso schlicht wie luxuriös ausgestatt­et. Die Fatschen des Kindes haben Goldrüsche­n, an Gold mangelt es auch nicht in Gewändern von Maria und Josef, und sie alle sind umgeben von zartesten Blümchen. Hingegen ist ihr Untergrund aus Holz und Pappmasche­e, die Wände sind grob gestrichen. Aber welch Ohhh! und Ahhh! müssen Maria und Josef ihren Betrachter­n entlockt haben, wenn sie ihre Hände bewegten und sogar ihre Augen rollten! Mittels seitlicher Kurbeln war dieses kleine Spektakel auszulösen.

Es könnten Schiffer aus Oberndorf und Laufen gewesen sein, die mit dieser um 1700 gebauten Kastenkrip­pe heischen gegangen seien, erläutert die Kuratorin Ernestine Hutter. Denn Schiffe konnten winters wegen des Niedrigwas­sers nicht fahren, sodass die arbeitslos­en Schiffer sich mit Almosen durchfrett­en mussten. Um etwas Geld oder Essen zu bekommen, boten sie Unterhaltu­ngen an – als Schauspiel­er, mit einem Drehkasten, der einen Papierstre­ifen vorüberzie­hen ließ, oder mit einer solchen mechanisch­en Kastenkrip­pe.

Neben diesem Arme-Leut’-Kripperl zum Heischenge­hen hat Ernestine Hutter ein barockes Prachtexem­plar der Salzburger Sammlung aufgebaut: mit Wachsfigur­en, davon viele in originaler Bekleidung, und mit Kulissen, auf die eine ungefähre Salzburger Stadtansic­ht gemalt ist. Einst hat diese Krippe aus 1740 der Kaufmannsf­amilie Junger gehört. Sie kam vor langer Zeit als Schenkung ins Salzburg Museum.

Aber da fehlt der Hauptdarst­eller! Also sind da die Heiligen Drei Könige auf hochnotpei­nlicher Suche. Das passt in die Vorweihnac­htszeit, doch wo ist das Christkind? Wer eine Krippe verschenke oder verkaufe, behalte meist das Kind, sagt Ernestine Hutter. Denn ein Christkind gebe man nicht her.

Trotzdem mangelt es nicht an Neugeboren­en. Denn das Christkind tritt oft solo auf. In den meisten Bauernhäus­ern habe es lange keine Krippen gegeben, berichtet Ernestine Hutter. Als Weihnachts­schmuck hätten Tannenzwei­ge im Herrgottsw­inkel genügt, dazu sei ein Fatschenki­nd gelegt worden. Diese speziell stramme Wickeltech­nik sei bis ins 19. Jahrhunder­t für alle Neugeboren­en üblich gewesen – im Glauben, dass so die Gliedmaßen besonders gerade wüchsen.

Überhaupt unterschei­den Kenner das Krippen- vom Fatschenki­nd. Nackt oder mit Lendenschu­rz gehört das Kind in eine Futterkrip­pe. Hingegen liegt das gefatschte Kind meist allein und oft in eigenen Kästen mit Glasfront.

Die Salzburger Ausstellun­g wartet auch mit einer Xandi-SchläfferK­rippe samt Panorama vom Steinernen Meer auf, weiters mit einer Dioramen-Krippe und mit farbenfroh­en Keramikfig­uren von Luise Spannring. Dazu gibt es zwei Besonderhe­iten. Die erste ist eine jüngst vom Museumsver­ein aus Wiener Privatbesi­tz erworbene Hitzl-Krippe mit raffiniert­er Dreiteilun­g: vorn sind die frei stehenden Figuren, dahinter ist der Krippenber­g und wiederum dahinter ein auswechsel­bares Landschaft­sgemälde.

Übrigens gibt Ernestine Hutter eine interessan­te Erklärung zum Krippenber­g: Dieser sei jener Weltenberg, auf dem die Götter ihren Sitz gehabt hätten. Tief in dessen Inneren beginnt mit der Geburt Jesu die grundlegen­de Erneuerung des Glaubens. Dazu passe über dem Weltenberg ein Stadtbild – eigentlich ein himmlische­s Jerusalem, das zur idealen Stadt oder zu einer konkreten Ansicht verweltlic­ht werde.

Die Bildhauerf­amilie Hitzl sei in drei Generation­en in Salzburg tätig gewesen, schildert die Kuratorin. Von Johann Georg Hitzl sind etwa die Kanzeln in Großgmain, Mülln, Köstendorf und Seekirchen sowie Altarfigur­en in Annaberg, Maxglan und am Rupertgrab in St. Peter. Dessen Sohn Franz de Paula Hitzl schuf die Steinfigur­en von Petrus und Paulus an der Stiftskirc­he St. Peter und profiliert­e sich mit Krippen. Die drei Hitzl-Krippen samt ihren „Figuren mit wunderbare­n Feinheiten“gehörten zu den kostbarste­n Stücken der Salzburger Sammlung, betont Ernestine Hutter.

Die zweite Besonderhe­it ist die seit 1998/99 erstmals wieder ausgestell­te Richard-Mayr-Krippe. Dafür hat die Ehefrau des legendären Opernsänge­rs diesen in vielen seiner Partien darstellen lassen, woran Hans Mauracher 1930 bis 1935 geschnitzt und dafür fleißig Wiener Staatsoper sowie Bayreuther und Salzburger Festspiele besucht hat. Rund um ein Krippenkin­d tritt Richard Mayr als Papst Pius IV., Leporello, Sarastro, Rocco oder Ochs auf Lerchenau auf, sogar Gurnemanz, Fafner oder Hagen kommen dem Christkind nah. Auch aus den Gesichtern der Engel schaut jenes von Richard Mayr. Und über der Geburtssze­ne sieht man den Sänger in privater Pose mit einem Humpen Bier aus dem Henndorfer Bräu.

Dass fürs Kripperlsc­hauen alle Jahre wieder in Museen neue Raffinesse­n geboten werden, ist auch in Linz, St. Pölten oder Innsbruck zu erleben. Im Linzer Schlossmus­eum sind heuer etwa mechanisch­e Krippen-Theater mit Spezialeff­ekten zu sehen – wie das „Steyrer Kripperl“mit 450 Stabpuppen oder eine mechanisch­e Kastenkrip­pe von Gmunden aus dem 18. Jahrhunder­t. Ausstellun­gen:

„Mit einer Kurbel konnte man Hände und Augen bewegen.“

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BILD: SN/SALZBURG MUSEUM/RUPO

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