Komponieren ist immer ein Abenteuer
Mit einer Oper über den Wettlauf zum Südpol erregte Miroslav Srnka 2016 viel Aufsehen. Jetzt zeigt er in Salzburg die Pole seines Schaffens.
SALZBURG. Es war eine Expedition mit ungewissem Ausgang. 1910 brachen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen zu einem Wettlauf zum Südpol auf. 2016 wurde die Geschichte zum Opernstoff. Und mit der Vertonung erreichte Komponist Miroslav Srnka ohne Umwege eine Bestmarke: Zwar gehörte der erste Platz in der Gesamtstatistik, die der Deutsche Bühnenverein für die Opernsaison 2015/16 veröffentlichte, Mozarts „Zauberflöte“. Doch bei den zeitgenössischen Opern hieß das meistbesuchte Werk der Saison „South Pole“.
Auch in Salzburg ist es nun nicht weit von Srnka zu Mozart: Im Festival Dialoge stellt die Stiftung Mozarteum an diesem Wochenende die Musik des 42-jährigen Prager Komponisten Werken von Mozart, Schönberg oder Dvořák gegenüber.
Eine Expedition mit ungewissem Ausgang sei auch seine Arbeit jedes Mal wieder, erzählt Srnka im Gespräch: „Ich bin ein Komponist, der sich mit jedem Werk neu definieren muss.“Das sei der Geschwindigkeit des Vorwärtskommens nicht immer förderlich. „Aber es ist der abenteuerlichere, und für mich langfristig sinnvollere Weg.“Eine große Gefahr beim Komponieren lauere schließlich genau dort, wo „man anfängt, immer stärker von der eigenen Substanz zu leben“. Stattdessen sucht Srnka unverbrauchte Impulse: Sie können von einem Film kommen, wie in seinem Werk „My Life Without Me“, das im Eröffnungskonzert am Donnerstag mit Arnold Schönbergs „Erwartung“kombiniert wurde, oder aus dem Beobachten von Naturphänomenen wie in „No Night No Land No Sky“, das aus einer Orchesterstudie zur Oper „South Pole“entstand.
Aus dem Flug von Vogelschwärmen hat Miroslav Srnka ebenfalls klangliche Bewegungsmuster abgeleitet: „Ich suche gern Inspirationen außerhalb der Musik, wenn sie einen anderen Blick auf musikalische Parameter öffnen.“
Sein jüngstes Werk, ein Quartett für das Quatuor Diotima, das 2018 uraufgeführt wird, bedeute für ihn nach „South Pole“derzeit „wieder einen Neustart“. „Auch grafisch sieht man die Veränderung deutlich“, sagt Srnka, und zeigt die Partitur auf seinem iPad, wo er sich seine eigene Benutzeroberfläche zum Komponieren mit digitaler Notation und Eingabestift konfiguriert hat: „Ich mag es, ein Mensch des 21. Jahrhunderts zu sein.“Dass er schon früh begann, Partituren direkt in den Computer zu schreiben statt auf Papier, hatte zunächst freilich einen simplen Grund: „Als ich im Studium in Paris an einem großen Werk arbeiten sollte, hätte das winzige Zimmer gar keinen Platz zum Ausbreiten von Noten geboten.“
Welche „historischen“Einflussgrößen in Miroslav Srnkas Weg Spuren hinterlassen haben? Der Spektralist Gérard Grisey sei „sicher eine Schlüsselperson: Wie er mit strengen musikalischen Parametern mystische Räume und Abgründe öffnete, fasziniert mich.“Bei Mozart bestehe die Faszination darin, „dass da einerseits die analytische Ordnung ist, andererseits diese Freude am Spielerischen. Das hat etwas sehr Heutiges: Wir leben ja in einer Zeit, in der das ,Gaming‘ eine riesige Branche für Erwachsene ist. Vielleicht hätte Mozart auch daran Freude gehabt …“ Festival: