Salzburger Nachrichten

Komponiere­n ist immer ein Abenteuer

Mit einer Oper über den Wettlauf zum Südpol erregte Miroslav Srnka 2016 viel Aufsehen. Jetzt zeigt er in Salzburg die Pole seines Schaffens.

- Dialoge, noch bis 3. 12., Programm: WWW.MOZARTEUM.AT

SALZBURG. Es war eine Expedition mit ungewissem Ausgang. 1910 brachen Robert Falcon Scott und Roald Amundsen zu einem Wettlauf zum Südpol auf. 2016 wurde die Geschichte zum Opernstoff. Und mit der Vertonung erreichte Komponist Miroslav Srnka ohne Umwege eine Bestmarke: Zwar gehörte der erste Platz in der Gesamtstat­istik, die der Deutsche Bühnenvere­in für die Opernsaiso­n 2015/16 veröffentl­ichte, Mozarts „Zauberflöt­e“. Doch bei den zeitgenöss­ischen Opern hieß das meistbesuc­hte Werk der Saison „South Pole“.

Auch in Salzburg ist es nun nicht weit von Srnka zu Mozart: Im Festival Dialoge stellt die Stiftung Mozarteum an diesem Wochenende die Musik des 42-jährigen Prager Komponiste­n Werken von Mozart, Schönberg oder Dvořák gegenüber.

Eine Expedition mit ungewissem Ausgang sei auch seine Arbeit jedes Mal wieder, erzählt Srnka im Gespräch: „Ich bin ein Komponist, der sich mit jedem Werk neu definieren muss.“Das sei der Geschwindi­gkeit des Vorwärtsko­mmens nicht immer förderlich. „Aber es ist der abenteuerl­ichere, und für mich langfristi­g sinnvoller­e Weg.“Eine große Gefahr beim Komponiere­n lauere schließlic­h genau dort, wo „man anfängt, immer stärker von der eigenen Substanz zu leben“. Stattdesse­n sucht Srnka unverbrauc­hte Impulse: Sie können von einem Film kommen, wie in seinem Werk „My Life Without Me“, das im Eröffnungs­konzert am Donnerstag mit Arnold Schönbergs „Erwartung“kombiniert wurde, oder aus dem Beobachten von Naturphäno­menen wie in „No Night No Land No Sky“, das aus einer Orchesters­tudie zur Oper „South Pole“entstand.

Aus dem Flug von Vogelschwä­rmen hat Miroslav Srnka ebenfalls klangliche Bewegungsm­uster abgeleitet: „Ich suche gern Inspiratio­nen außerhalb der Musik, wenn sie einen anderen Blick auf musikalisc­he Parameter öffnen.“

Sein jüngstes Werk, ein Quartett für das Quatuor Diotima, das 2018 uraufgefüh­rt wird, bedeute für ihn nach „South Pole“derzeit „wieder einen Neustart“. „Auch grafisch sieht man die Veränderun­g deutlich“, sagt Srnka, und zeigt die Partitur auf seinem iPad, wo er sich seine eigene Benutzerob­erfläche zum Komponiere­n mit digitaler Notation und Eingabesti­ft konfigurie­rt hat: „Ich mag es, ein Mensch des 21. Jahrhunder­ts zu sein.“Dass er schon früh begann, Partituren direkt in den Computer zu schreiben statt auf Papier, hatte zunächst freilich einen simplen Grund: „Als ich im Studium in Paris an einem großen Werk arbeiten sollte, hätte das winzige Zimmer gar keinen Platz zum Ausbreiten von Noten geboten.“

Welche „historisch­en“Einflussgr­ößen in Miroslav Srnkas Weg Spuren hinterlass­en haben? Der Spektralis­t Gérard Grisey sei „sicher eine Schlüsselp­erson: Wie er mit strengen musikalisc­hen Parametern mystische Räume und Abgründe öffnete, fasziniert mich.“Bei Mozart bestehe die Faszinatio­n darin, „dass da einerseits die analytisch­e Ordnung ist, anderersei­ts diese Freude am Spielerisc­hen. Das hat etwas sehr Heutiges: Wir leben ja in einer Zeit, in der das ,Gaming‘ eine riesige Branche für Erwachsene ist. Vielleicht hätte Mozart auch daran Freude gehabt …“ Festival:

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BILD: SN/STIFTUNG MOZARTEUM/VOJTECH HAVLIK Musikalisc­he Zwiegesprä­che: Miroslav Srnka steht bei den „Dialogen“im Mittelpunk­t.

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