Wie sich die Neos die Kassenreform vorstellen Versicherungspflicht statt Pflichtversicherung
Ohne die Pinken keine Verfassungsmehrheit. Deren Pläne sind freilich radikaler als alles, was in den Koalitionsverhandlerkreisen überlegt wird.
Die Koalitionsverhandler haben bei den Neos schon angeklopft. Kein Wunder. Ohne die Stimmen der Pinken ist eine Reform der Sozialversicherungsträger unmöglich. Es werden also türkis/schwarzblau-pinke Kompromisse gesucht werden müssen, um die notwendige Zweidrittelmehrheit sicherzustellen.
Die Vorstellungen der Neos sind jedenfalls deutlich radikaler als das, was in den ÖVP-FPÖ-Verhandlungsgruppen an möglichen Zusammenlegungen überlegt und bereits mit heftigen Protesten quittiert wird. Zuletzt mehrten sich die Hinweise, dass es künftig nur noch vier statt 21 Träger geben könnte. Konkret drei Krankenversicherungen und die Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Die Unfallversicherungsanstalt (AUVA) würde demnach als eigene Sparte aufgelöst und den Krankenversicherungen einverleibt.
Die Pinken hätten, wie Sozialsprecher Gerald Loacker sagt, mit diesem Modell mehrere Probleme. Es würde vorsehen, dass es künftig für die in der Privatwirtschaft Beschäftigten eine Kasse (statt neun Gebietskrankenkassen) gibt, ferner eine Krankenkasse für die Selbstständigen (derzeit eine für die Bauern sowie eine für die Unternehmer) und eine für die Mitarbeiter im staatlichen oder staatsnahen Dienst (derzeit eine für die öffentlichen Bediensteten und eine für die Eisenbahner plus die im Bergbau Beschäftigten). Die Pinken stört insbesondere letztgenannte Kasse. „Die Beamten sind die beste Risikogruppe, sie haben einen sicheren Job und sie verdienen im Schnitt auch nicht schlecht“, sagt Loacker. Völlig anders die Arbeiter und Angestellten. Deshalb kommen für die Neos nur zwei Varianten infrage: Entweder die öffentlich Bediensteten werden der Kasse für alle anderen Unselbstständigen zugeordnet. Oder es müsse ein entsprechender Risikoausgleich von der Beamtenkasse Richtung Unselbstständigenkasse geben.
Und jedenfalls müssten im Zuge einer Kassenreform die 16 Krankenfürsorgeanstalten für die Landesund Gemeindebediensteten abgeschafft werden. Loacker: „Keiner weiß, was da genau vorgeht. Das ist eine Blackbox.“
Überhaupt nichts halten die Neos davon, die AUVA in die Krankenversicherung einzugliedern. Denn dadurch ginge das in der gesetzlichen Unfallversicherung „schlummernde Potenzial auf Senkung der Lohnnebenkosten verloren“. Zwar würden die Pinken die AUVA auch abschaffen, genauer: die Pflichtversicherung. Statt ihr sollte – „so wie bei den Vorsorgekassen“– eine Versicherungspflicht eingeführt werden. Das wäre letztlich auch die aus Neos-Sicht ideale Lösung für die Krankenversicherung – „dass man die Wahl hat, wo man sich krankenversichert“.
Was unbedingt geschehen müsse, sei aber eine „Bereinigung“um systemfremde Ausgaben bei der AUVA, sagt Loacker. Die Versicherungsanstalt, die genau genommen nur für Arbeitsunfälle zuständig wäre, behandle in ihren sieben Unfallspitälern und vier Rehabilitationszentren auch den Großteil der Freizeitunfälle (mehr als 80 Prozent). Allerdings werde der AUVA dafür nur ein Teil von den Krankenkassen vergütet. „Geschätzt 300 Millionen Euro jährlich werden so aus der AUVA herausgezogen“, sagt der pinke Sozialsprecher. „Und jetzt kommt mit der Entgeltfortzahlung für Selbstständige eine weitere Aufgabe hinzu, die dort nicht hingehört.“Würde die AUVA von den artfremden Aufgaben befreit, könnten die Lohnnebenkosten schlagartig deutlich gesenkt werden.