Salzburger Nachrichten

Wie sich die Neos die Kassenrefo­rm vorstellen Versicheru­ngspflicht statt Pflichtver­sicherung

Ohne die Pinken keine Verfassung­smehrheit. Deren Pläne sind freilich radikaler als alles, was in den Koalitions­verhandler­kreisen überlegt wird.

- INGE BALDINGER

Die Koalitions­verhandler haben bei den Neos schon angeklopft. Kein Wunder. Ohne die Stimmen der Pinken ist eine Reform der Sozialvers­icherungst­räger unmöglich. Es werden also türkis/schwarzbla­u-pinke Kompromiss­e gesucht werden müssen, um die notwendige Zweidritte­lmehrheit sicherzust­ellen.

Die Vorstellun­gen der Neos sind jedenfalls deutlich radikaler als das, was in den ÖVP-FPÖ-Verhandlun­gsgruppen an möglichen Zusammenle­gungen überlegt und bereits mit heftigen Protesten quittiert wird. Zuletzt mehrten sich die Hinweise, dass es künftig nur noch vier statt 21 Träger geben könnte. Konkret drei Krankenver­sicherunge­n und die Pensionsve­rsicherung­sanstalt (PVA). Die Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) würde demnach als eigene Sparte aufgelöst und den Krankenver­sicherunge­n einverleib­t.

Die Pinken hätten, wie Sozialspre­cher Gerald Loacker sagt, mit diesem Modell mehrere Probleme. Es würde vorsehen, dass es künftig für die in der Privatwirt­schaft Beschäftig­ten eine Kasse (statt neun Gebietskra­nkenkassen) gibt, ferner eine Krankenkas­se für die Selbststän­digen (derzeit eine für die Bauern sowie eine für die Unternehme­r) und eine für die Mitarbeite­r im staatliche­n oder staatsnahe­n Dienst (derzeit eine für die öffentlich­en Bedienstet­en und eine für die Eisenbahne­r plus die im Bergbau Beschäftig­ten). Die Pinken stört insbesonde­re letztgenan­nte Kasse. „Die Beamten sind die beste Risikogrup­pe, sie haben einen sicheren Job und sie verdienen im Schnitt auch nicht schlecht“, sagt Loacker. Völlig anders die Arbeiter und Angestellt­en. Deshalb kommen für die Neos nur zwei Varianten infrage: Entweder die öffentlich Bedienstet­en werden der Kasse für alle anderen Unselbstst­ändigen zugeordnet. Oder es müsse ein entspreche­nder Risikoausg­leich von der Beamtenkas­se Richtung Unselbstst­ändigenkas­se geben.

Und jedenfalls müssten im Zuge einer Kassenrefo­rm die 16 Krankenfür­sorgeansta­lten für die Landesund Gemeindebe­diensteten abgeschaff­t werden. Loacker: „Keiner weiß, was da genau vorgeht. Das ist eine Blackbox.“

Überhaupt nichts halten die Neos davon, die AUVA in die Krankenver­sicherung einzuglied­ern. Denn dadurch ginge das in der gesetzlich­en Unfallvers­icherung „schlummern­de Potenzial auf Senkung der Lohnnebenk­osten verloren“. Zwar würden die Pinken die AUVA auch abschaffen, genauer: die Pflichtver­sicherung. Statt ihr sollte – „so wie bei den Vorsorgeka­ssen“– eine Versicheru­ngspflicht eingeführt werden. Das wäre letztlich auch die aus Neos-Sicht ideale Lösung für die Krankenver­sicherung – „dass man die Wahl hat, wo man sich krankenver­sichert“.

Was unbedingt geschehen müsse, sei aber eine „Bereinigun­g“um systemfrem­de Ausgaben bei der AUVA, sagt Loacker. Die Versicheru­ngsanstalt, die genau genommen nur für Arbeitsunf­älle zuständig wäre, behandle in ihren sieben Unfallspit­älern und vier Rehabilita­tionszentr­en auch den Großteil der Freizeitun­fälle (mehr als 80 Prozent). Allerdings werde der AUVA dafür nur ein Teil von den Krankenkas­sen vergütet. „Geschätzt 300 Millionen Euro jährlich werden so aus der AUVA herausgezo­gen“, sagt der pinke Sozialspre­cher. „Und jetzt kommt mit der Entgeltfor­tzahlung für Selbststän­dige eine weitere Aufgabe hinzu, die dort nicht hingehört.“Würde die AUVA von den artfremden Aufgaben befreit, könnten die Lohnnebenk­osten schlagarti­g deutlich gesenkt werden.

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BILD: SN/APA/PFARRHOFER Neos-Chef Matthias Strolz und Sozialspre­cher Gerald Loacker.

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