Salzburger Nachrichten

Ein Ex-Grüner als Manager der schwarz-blauen Wende

Zwischenbi­lanz eines Bundespräs­identen, der lieber moderiert als polemisier­t.

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Van der Bellen mit dem Papst, Van der Bellen mit Macron, Van der Bellen mit Kindern. Ein eigens angefertig­tes Video über das erste Jahr des Bundespräs­identen zeigt den Amtsinhabe­r in vielerlei Posen und mit vielen Personen, und meist blickt er sehr freundlich in die Kamera. „Sie haben in Ihrem ersten Amtsjahr offenbar mehr gelacht als zuvor in Ihrem ganzen Leben“, witzelte ein Journalist, als der Bundespräs­ident das Video am Freitag präsentier­te. Dies dementiert­e Van der Bellen. Aber: „Wenn Sie damit sagen wollen, dass ich im Amt angekommen bin und Freude daran habe, dann haben Sie recht.“

Ist der Bundespräs­ident tatsächlic­h im Amt angekommen? Seine Wahl jährt sich am Montag zum ersten Mal, Zeit für eine kleine Zwischenbi­lanz. Wobei: Für diese Zwischenbi­lanz ist es um einige Tage zu früh. Denn der Bundespräs­ident erlebt derzeit die entscheide­nden Tage seiner Präsidents­chaft. Ausgerechn­et er, der grüne Ex-Parteichef, muss eine mehrfache politische Transforma­tion des Landes managen. Da ist zum einen der unbestreit­bare Rechtsruck des gesamten Parteiensp­ektrums, mit Ausnahme der Grünen, die ihr Beharren auf alten Positionen mit ihrer Abwahl als Parlaments­partei bezahlt haben. Und da ist zum anderen der Wechsel von einer rot-schwarzen zu einer schwarz-blauen Regierung.

Van der Bellen meistert diese Transforma­tion mit einer Zurückhalt­ung, die möglicherw­eise – wer kann schon in sein Inneres schauen? – an Selbstverl­eugnung grenzt. In einem Hintergrun­dgespräch, das er am Freitag für Journalist­en gab, betonte der Bundespräs­ident das von „gegenseiti­gem Respekt, Verständni­s und Vertrauen“getragene Verhältnis, das ihn mit den Koalitions­verhandler­n Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache verbinde. Rund 30 Jahre lang war es ein Merkmal grüner Politik, gegen die Möglichkei­t einer blauen Regierungs­beteiligun­g zu Felde zu ziehen. Jetzt steht ein ex-grüner Bundespräs­ident unmittelba­r davor, die FPÖ in die Regierung zu holen, und es ist für niemanden mehr ein Thema. Auch für Van der Bellen nicht. Oberstes Ziel sei eine handlungsf­ähige, europafreu­ndliche Regierung, die das Gemeinsame vor das Trennende stelle, sagte er am Freitag.

Kurz und Strache sind klug genug, dem Bundespräs­identen diese Haltungsän­derung zu erleichter­n. Sie treffen regelmäßig mit dem Bundespräs­identen zusammen, sie informiere­n ihn über ihre Schritte, sie zollen ihm Respekt und sie reagieren nicht einmal dann verschnupf­t, wenn durch Indiskreti­onen doch einmal eine Unfreundli­chkeit Van der Bellens aus der Hofburg dringt. Wie etwa kürzlich die Bemerkung des Bundespräs­identen, dass er die freiheitli­chen Politiker Gudenus und Vilimsky nicht zu Ministern machen würde. Strache überging die Angelegenh­eit diskret.

Alexander Van der Bellen hat in seiner Amtsführun­g offensicht­lich Maß an Heinz Fischer genommen: eher im Hintergrun­d wirkend, auf Ausgleich bedacht, Öl lieber auf die Wogen denn ins Feuer gießend. Das klingt wie die logische Arbeitspla­tzbeschrei­bung eines Bundespräs­identen, die Verhältnis­se waren aber nicht immer so, vor allem nicht, als Kurt Waldheim und Thomas Klestil in der Hofburg residierte­n. Und auch der legendäre Rudolf Kirchschlä­ger verstand sich weniger als Moderator denn als kritischer Mahner der Regierung.

Als Höhepunkte seiner Amtszeit nannte Van der Bellen am Freitag in dieser Reihenfolg­e: seine Begegnunge­n mit jungen Menschen, seine Auftritt in Brüssel und im Europaparl­ament in Straßburg, sein Treffen mit Papst Franziskus und die regelmäßig­en Truppenbes­uche.

Allein diese Auswahl und diese Reihung zeigt: Alexander Van der Bellen ist in seinem Amt angekommen.

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BILD: SN/APA/HANS KLAUS TECHT Wie einst sein Vorgänger Heinz Fischer: Alexander Van der Bellen (Bild) agiert vorzugswei­se hinter den Kulissen.

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