EU sucht nach eigenem Geld
Bei den Verhandlungen für den künftigen Budgetrahmen geht es wieder um EU-Steuern. Derzeit fließt ein Prozent der Bruttonationalprodukte nach Brüssel.
BRÜSSEL. Am Donnerstag haben die 28 EU-Länder und das Europaparlament endgültig das Budget für 2018 fixiert. 145 Milliarden Euro können nächstes Jahr unter anderem für EU-Aufgaben wie Agrarpolitik, Forschungsprojekte, Grenzschutz oder Regionalhilfe ausgegeben werden.
Das wirklich große Tauziehen um die EU-Finanzierung kommt aber erst. Denn wie viel Geld in den gemeinsamen EU-Topf kommt und was damit passiert, wird in den Eckpunkten für sieben Jahre im Vorhinein festgelegt. Der aktuelle Finanzrahmen von 1000 Milliarden Euro für 2014 bis Ende 2020 wurde zwei Jahre lang verhandelt. Diesmal kommt erschwerend dazu, dass der Austritt von Nettozahler Großbritannien ein Loch von 10 bis 12 Milliarden Euro reißt. Außerdem hat die EU in den vergangenen Jahren neue Aufgaben – von Grenzschutz bis Migration – übernommen, für die neues Geld nötig ist.
Daher könne nicht so weitergetan werden wie bisher, lautet der Tenor in EU-Kommission und EUParlament. Parlamentspräsident Antonio Tajani hat gleich eine Verdoppelung des EU-Budgets auf 280 Milliarden Euro gefordert. Budgetkommissar Günther Oettinger ist vorsichtiger. Er hat im Sommer ein Reflexionspapier zur künftigen EUFinanzierung vorgelegt. Es greift unter anderem die Empfehlungen einer Expertengruppe um den früheren EU-Kommissar und italienischen Premierminister Mario Monti auf: neue, eigene Einnahmequellen für die EU, also eine Steuer.
Die Idee taucht bei den BudgetVerhandlungen seit den 1980erJahren regelmäßig auf. 2012 war es die Finanztransaktionssteuer, die etwas beitragen sollte, noch früher wurde eine SMS-Steuer angedacht. Beschlossen wurde weder die eine noch die andere, denn Steuern sind Sache der Mitgliedsstaaten und brauchen für einen Beschluss Einstimmigkeit.
Bis dato stammen rund 80 Prozent des EU-Haushalts aus Beitragszahlungen der Mitgliedsländer (abhängig von der jeweiligen Wirtschaftsleistung) sowie einem winzigen Teil der Mehrwertsteuereinnahmen. Die Berechnungsmethoden sind mittlerweile extrem kompliziert und gespickt mit zahllosen Rabatten. Knapp 20 Prozent des EUBudgets kommen aus Zolleinnahmen – das sind die einzigen echten Eigenmittel und auch die einzigen, die unumstritten sind.
In diese Richtung argumentiert auch die EU-Kommission. Erstens seien der Brexit und der Wegfall des berühmten Briten-Rabatts die Chance, gleich mit allen Rabatten (von denen auch Österreich profitiert) aufzuräumen. Das mache das System einfacher.
Zudem könne es dann gleich reformiert und neue Eigenmittel so konzipiert werden, „dass sie nicht nur zur Finanzierung eines Teils des EU-Haushalts dienen, sondern auch wesentliche politische Maßnahmen unterstützen“, heißt es in dem Papier.
Als Beispiel werden gemeinsame Energie- oder Umweltsteuern genannt, Emissionsaufschläge auf Fahrzeuge, Erlöse von Auktionen von CO2-Zertifikaten, eine gemeinsame Körperschaftssteuer oder auch die Gewinne der Europäischen Zentralbank.
Reimer Böge, Haushaltsexperte der CDU im EU-Parlament, weiß, wie schwierig solche Beschlüsse mit Einstimmigkeit zu erreichen sind. Den Ausfall durch den Brexit könne man auffangen, auch ohne wichtige Bereiche wie die Regionalförderung zu gefährden, meint er. Es gebe „immer ein Programm, bei dem man sparen oder mit weniger Mitteln große Effekte erreichen kann“. Angesichts der neuen Aufgaben und der Erwartungen der Bürger an die EU werde der Haushalt mit rund einem Prozent der Bruttonationalprodukte der Mitgliedsstaaten in Zukunft nicht mehr zu machen sein. „Wir werden einen gewissen höheren Beitrag leisten müssen“, sagt Böge und argumentiert damit wie sein Parteifreund Oettinger.
Experten wie Peter Becker von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin halten eine EUSteuer weiter für unrealistisch, auch wenn es gute Gründe dafür gebe. „Dazu sind die Beharrungskräfte zu stark“, sagt er. Denn die meisten Mitgliedsstaaten wollten ihr Vorrecht auf Steuereinhebung nicht teilen und der EU nicht noch mehr „Staatlichkeit“und Autonomie geben. Vorstellbar sei im besten Fall „etwas sehr Kleines, ohne Symbolkraft“. Andernfalls müssten die Politiker befürchten, zu Hause abgestraft zu werden.
Die EU-Staats- und Regierungschefs sollen laut Plan jedenfalls im Februar die großen Linien für den künftigen Finanzrahmen vorgeben. Der Vorschlag der EU-Kommission ist für Mai angekündigt, davor plant das Parlament einen Initiativbericht. Beschlossen wird das EU-Budget 2021 bis 2027 wohl erst 2020.
„Fordere eine Verdoppelung des Budgets.“Antonio Tajani, EU-Parlamentspräsident