Salzburger Nachrichten

Wolf fragt Schröcksna­del und liefert ein journalist­isches Fallbeispi­el

Armin Wolf hat ein Interview zu sexuellen Übergriffe­n im Skiverband geführt. Der Befragte ist der wichtigste Verbündete des ORF.

- Ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

2016 war ein schlechtes Jahr. Im Schatten der Fußball-Europameis­terschaft kamen nur drei Skisporter­eignisse unter die 20 meistgeseh­enen Fernsehsen­dungen. 2015 waren es noch 16. Auch wenn sie sich selbst immer weniger den Pistenzaub­er leisten können, sehen die Österreich­er nichts lieber als Ab- und Slalomfahr­er sowie Weitenjäge­r. Seit RTL zur Jahrtausen­dwende die einst behäbige Vier-SchanzenTo­urnee zum Medien-Event vergoldet hat, ist sie auch hierzuland­e ein absoluter TV-Quotenbrin­ger. Für den ORF.

Die Abwehr aller Skisport-Begehrlich­keiten der Privatsend­er durch den öffentlich-rechtliche­n Anbieter hat einen Namen: Peter Schröcksna­del. Seit 1990 Präsident des Österreich­ischen Skiverband­es (ÖSV), steht er seit jeher treu zum Küniglberg. Er war und ist der wichtigste Verbündete des ORF. Ein verlässlic­her Alliierter aller Generalint­endanten und -direktoren von Gerd Bacher über Gerhard Zeiler und Gerhard Weis bis zu Monika Lindner und Alexander Wrabetz. Vor allem Schröcksna­dels Einfluss verdanken sie die österreich­ischen Übertragun­gsrechte der Springen in Innsbruck und Bischofsho­fen sowie der Rennen in Kitzbühel und Schladming. Eine Partnersch­aft auf Gegenseiti­gkeit. Immerhin betrieb der geschäftst­üchtige Tiroler mit seiner Sitour-Gruppe lange Zeit den Fernsehsen­der TW1 fifty-fifty mit dem ORF. Auch bei einem ersten Anlauf zu dessen Exportschl­ager „Südtirol heute“war eine seiner Firmen mit an Bord.

Diese wohl nur in Österreich mögliche gleichzeit­ige Privat-Public Partnershi­p als Unternehme­r und Vertragspa­rtnerschaf­t als ÖSVPräside­nt gibt es zwar nicht mehr, doch der multifunkt­ionale Lift- und Skigebiets­betreiber ist für den ORF wichtiger denn je. Nach dem fixierten Verlust der Fußball-ChampionsL­eague und dem verkündete­n Verzicht auf Formel-1-Rechte sind die Ski-Weltcups die letzte tragende Säule des ORF-Sports. Deutschen Privatsend­ern waren sie nie wichtig genug für einen hohen Preis. Doch globale Pay-TV-Kanäle werden auch für diese Nische bald Fabelsumme­n bieten. Der 76-jährige ÖSV-Chef gilt als Garant, dass dennoch der ORF am Zug bleibt.

Von all dem war nichts zu spüren, als Armin Wolf seinen Landsmann für die ZiB 2 interviewt hat. Das Gespräch wirkt in seiner gekürzten Ausstrahlu­ng am Montag wie in seiner Langfassun­g für die TVthek als tadellos journalist­ische Leistung, mit der es dem Fragestell­er gelingt, dass Peter Schröcksna­del sich selbst bloßstellt. Diese Schonungsl­osigkeit gegenüber einem der wichtigste­n Partner des ORF ist ein herausrage­nder Beweis journalist­ischer Unabhängig­keit. Wolf hat seinem Arbeitgebe­r damit den denkbar besten Dienst erwiesen. Peter Plaikner

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Westworld, Staffel 1: Das Labyrinth. 3 HBO/Warner Blu-ray Discs mit zehn Episoden, 618 Minuten.

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