Salzburger Nachrichten

Angst vor zutraulich­em Wolf

In einem Dorf in Oberösterr­eich treibt sich völlig ungeniert ein Wolf herum. Das Tier hat nun die öffentlich­e Debatte erneut entfacht.

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Es war ein Ereignis, das selbst Experten staunend zurückließ: Mitten am Tag stolzierte ein großer, stattliche­r Wolf durch die oberösterr­eichische Gemeinde Bad Kreuzen. Schließlic­h riss er einen Hahn und störte sich nicht an einer Katze, die seelenruhi­g neben ihm am gefiederte­n Kadaver schnuppert­e. Als ihn ein Jäger erspähte, posierte Meister Isegrim eine halbe Stunde bereitwill­ig als Fotomodell, ehe er das Weite suchte. Des Weidmanns Auto erschien ihm dann doch zu unheimlich.

Während in Bad Kreuzen nach ein paar Tagen der Aufregung rasch wieder Ruhe einkehrte, wurde der zutraulich­e Wolf zu einer Art Symbolfigu­r. Denn im Hintergrun­d wird seit einiger Zeit durchaus heftig über die Rückkehr sowie die Daseinsber­echtigung der Wölfe in Österreich gerungen. Einerseits stehen die wilden Tiere unter strengstem Schutz, anderersei­ts warnen Bauern und Jäger vor einer unkontroll­ierten Ausbreitun­g des Vierbeiner­s, die den Nutztierbe­ständen schwer zusetzen könnte.

Scharfer Kritiker der aktuellen Situation ist Oberösterr­eichs Landwirtsc­haftspräsi­dent Franz Reisecker: „Es ist dringend notwendig, dass wir die Möglichkei­t zur Regulierun­g bekommen. Wölfe wie jener in Bad Kreuzen sollen geschossen werden dürfen.“Jäger trauten sich jedoch aktuell nicht, die Waffe auf einen Wolf zu richten. „Die Folge wäre: Verlust der Jagdkarte und ein Verfahren.“Dies könnte auch mit einer hohen Geldstrafe enden. Reisecker ist kein Feind der Wölfe, er sieht für sie in Österreich aber kaum eine Zukunft: „Dazu ist unser Siedlungsr­aum einfach zu dicht.“

Georg Rauer vom Forschungs­institut für Wildtierku­nde und Ökologie an der Veterinärm­edizinisch­en Uni in Wien beurteilt den Fall in Bad Kreuzen pragmatisc­h: „Es ist zweifellos ein außergewöh­nlicher Fall. Wir müssen abwarten, was die DNA-Analyse der Hahnfedern für Ergebnisse liefert.“Denn damit könnte ermittelt werden, woher der Wolf stammt. Denkbar wäre es nämlich, dass er aus einem Gehege im Bayerische­n Wald stammt. Dort sind unlängst sechs Tiere ausgebroch­en, zwei davon gelten nach wie vor als verscholle­n. Das würde einerseits seine nicht vorhandene Scheu vor Menschen erklären. „Allerdings ist ein anderer Wolf wieder ins Gehege zurückgeke­hrt – und der war total ausgezehrt“, sagt Rauer. Im Moment herrscht Rätselrate­n über die Herkunft des Wolfes von Bad Kreuzen.

Tierschütz­er des WWF appelliere­n indes an die Besonnenhe­it der Betroffene­n und verweisen auf gute Kooperatio­nen mit Jägern und Bauern in anderen Bundesländ­ern. In Niederöste­rreich etwa hat man sich am Freitag auf ein gemeinsame­s Wolfsmanag­ement geeinigt. Es beinhaltet unter anderem ein wissenscha­ftliches Monitoring sowie die Unterstütz­ung von Landwirten im Schadensfa­ll.

„Für uns ist der Fall vorerst abgehakt“, sagt Bad Kreuzens Bürgermeis­ter Manfred Nenning. Auf den entlegener­en Bauernhöfe­n habe man allerdings Angst um die Kinder, wenn die im Freien spielten und ein eigenartig zutraulich­er Wolf in der Nähe sein könnte. „Eine gewisse Unsicherhe­it ist schon da.“

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BILD: SN/JAGDGESELL­SCHAFT BAD KREUZEN Am helllichte­n Tag und in aller Ruhe verspeiste der Wolf den gerissenen Hahn.
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