Trotz vieler Stellen ohne Job
Die Zahl der Arbeitslosen ist im November um 5,7 Prozent kräftig gesunken. Bei den offenen Stellen gab es gar einen Zuwachs um mehr als ein Drittel. Viele Probleme bleiben dennoch ungelöst.
SALZBURG. Die Wirtschaft brummt. Die Aussichten sind positiv. Unternehmen stellen neue Mitarbeiter ein. „Die Konjunkturlage ist derzeit so gut, dass sich das stärker auf die Beschäftigung auswirkt – und das beinahe durchgängig“, formuliert es Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). Das bedeutet, dass erstmals seit Langem auch bei Langzeitarbeitslosen und älteren Beschäftigungslosen die Zahl der Betroffenen sinkt.
Insgesamt ging im November die Zahl der arbeitslosen Personen – inklusive jener in Schulung – um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück. Vor allem in der Industrie (–13,9%) und am Bau (–12,6%) gab es kräftige Rückgänge. Stark gefallen ist die Arbeitslosigkeit aber auch im Handel (–9,7%) und im Tourismus (–8,5%). Bei Arbeitslosen, die länger als ein Jahr auf Jobsuche sind, ging die Arbeitslosigkeit um 2,8 Prozent zurück, bei den über 50-Jährigen um 2,0 Prozent.
Stark gestiegen ist die Zahl der beim AMS gemeldeten offenen Stellen, und zwar um mehr als ein Drittel auf 54.745 freie Jobs. In vielen Bereichen – ob bei IT-Fachkräften, Technikern oder Köchen – geht das längst so weit, dass Arbeitskräfte händeringend gesucht werden.
„Der Fachkräftemangel ist längst da“, sagt etwa Bernhard Bachofner, Chef der Jungen Industrie in Salz- burg und Manager beim Elektrotechnikunternehmen Fiegl & Spielberger. „In vielen Bereichen könnten wir schneller wachsen, wenn wir mehr qualifizierte Mitarbeiter finden würden.“
Dabei ist die Zahl der Arbeitslosen mit 404.699 Personen per Ende November bei aller positiver Stimmung weiter hoch, und liegt etwa deutlich über dem Wert vor fünf Jahren (siehe Grafik). „Ausgehend von einem Wert, der sehr hoch war und noch immer hoch ist, haben wir doch kräftige Rückgänge“, betont Mahringer. Überangebot und zur gleichen Zeit Mangel sei am Arbeitsmarkt durchaus nichts Ungewöhnliches. Dafür gebe es viele Gründe: Regionale Probleme führten dazu, dass genug Arbeitskräfte vorhanden seien, aber nicht immer dort, wo sie gebraucht würden. Dazu kämen berufsspezifische Schwierigkeiten, in der einen Branche gibt es ein Überangebot, in einer anderen einen Mangel. Vor allem aber sei der Arbeitsmarkt – und die Anforderungen dort – ständig im Wandel, das Arbeitskräfteangebot könne da nicht immer Schritt halten. Die Digitalisierung beschleunige diese sich ändernden Qualifikationsanforderungen noch, sagt Mahringer. Um da mitzuhalten, „müssen alle Seiten beitragen“, meint er. Die Beschäftigten selbst, die mehr Bereitschaft zur Bildung zeigen müssten. Die Unternehmen, die Aus- und Weiterbildung anbieten sollten, vor allem für Lehrlinge, aber auch für andere Beschäftigte. Und nicht zuletzt sei die öffentliche Hand gefordert, die Qualifizierungsmaßnahmen unterstützen müsse. „Und zwar nicht nur aus der Arbeitslosigkeit heraus, sondern auch in Form von Nachholen von Berufsabschlüssen oder Neuqualifizierung im Job“, sagt Mahringer. In Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs werde sichtbar, dass der Arbeitsmarkt diesen Umorientierungsanforderungen noch nicht gewachsen sei.
In der Verantwortung sieht sich dabei durchaus auch die Wirtschaft selbst. „Bei uns im Bereich Elektrotechnik ist es mittlerweile so, dass wir fast ausschließlich unsere Kräfte selbst heranbilden“, meint Bachofner. „Und das ist ja auch in Ordnung, selbst wenn das Wachstum schneller ginge, wenn wir Fachkräfte finden könnten.“Bei Fiegl & Spielberger kämen auf 400 Mitarbeiter derzeit 60 Lehrlinge. „Probleme gibt es aber schon mit der Mobilität.“Verlören in Kärnten durch eine Pleite technische Fachkräfte ihren Job, seien die kaum nach Salzburg zu bringen. Auch bei der derzeitigen Diskussion, Landflucht verhindern zu wollen, müsse mehr Realismus einkehren. „Ein digitalisiertes Unternehmen kann nicht im ländlichen Raum investieren, wenn dort Breitband- und Verkehrsanschluss fehlen.“Eine Lösung seien bessere öffentliche Verkehrsverbindungen – um Mitarbeiter schneller zum Arbeitsplatz zu bringen.
Ob die gute Konjunktur ausreiche, dass die Entspannung bei den älteren und bereits lange Zeit Arbeitslosen nachhaltig anhalte, bezweifelt Wirtschaftsforscher Mahringer. „Man sieht nach wie vor, dass Ältere von der günstigen Situation weit weniger profitieren.“Im November verringerte sich laut AMS die Zahl der als arbeitslos vorgemerkten Personen gegenüber dem Vorjahr um 8,1 Prozent, inklusive Schulungsteilnehmern um 5,7 Prozent. Für 50- bis 64-Jährige fiel der Rückgang mit 2,0 bzw. 1,4 Prozent viel geringer aus. „Und die Schwierigkeiten – und das sind am Arbeitsmarkt neben geringer Bildung nun einmal vor allem das Alter und gesundheitliche Probleme – werden zunehmen, schon aus demografischen Gründen.“Die Alterung der Gesellschaft und ein höheres Pensionsantrittsalter führten dazu, dass bald nicht die Vermittlung von 50- bis 55-Jährigen bewältigt werden müsse, sondern die für 55- bis 65-Jährige. „Insofern sehe ich es schon als gerechtfertigt an, dass diese Gruppe spezifisch unterstützt wird“, sagt Mahringer zu der jüngst entflammten Diskussion rund um die Aktion 20.000, mit der 20.000 Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose über 50 Jahren neu geschaffen werden sollten. Von Seiten der Koalitionsverhandler wird die wie berichtet infrage gestellt und könnte adaptiert werden. „Sinnvoller wäre wohl, das Projekt auszuprobieren und zu evaluieren“, meint Mahringer – selbst wenn letztlich weniger als 20.000 Jobs dadurch entstünden.
„Ältere profitieren von der günstigen Situation nach wie vor weniger.“