Salzburger Nachrichten

Verloren im Dickicht der Kammern

Es gibt Unternehme­n, in denen die Pflichtmit­gliedschaf­t bei den Kammern kuriose Blüten treibt. Die Saatbau Linz ist so eines.

- Im Gewirr des Kammerstaa­tes kann man schon die Orientieru­ng verlieren.

LINZ. In der intensiven Debatte über die Pflichtmit­gliedschaf­t bei Kammern sind Gegner und Befürworte­r tief gespalten. Das Beispiel Saatbau Linz zeigt, warum das so ist. „Welche und vor allem wie unsere Interessen von all den Kammern vertreten werden, an die wir Pflichtbei­träge entrichten müssen, ist für uns nicht nachvollzi­ehbar“, sagt deren Chef Karl Fischer. Kein Wunder, die Genossensc­haft, die er leitet, muss Pflichtbei­träge an nicht weniger als vier Kammern abführen.

An die Wirtschaft­skammer zahlt die Saatbau Linz, die rund 180 Millionen Euro Jahresumsa­tz im Inund vor allem im Ausland erzielt und 445 Mitarbeite­r (davon 230 in Österreich) beschäftig­t, jährlich rund 81.000 Euro. „Je Betriebsst­ätte zahlen wir eine Grundumlag­e, dazu kommen die Kammerumla­ge eins und ein Betrag, der sich aus unserem Dienstgebe­rbeitrag zum Familienla­stenausgle­ichsfonds ableitet“, sagt Fischer. An die Landarbeit­erkammern in Oberösterr­eich und Niederöste­rreich, die für die Genossensc­haftsmitar­beiter zuständig sind, hat die Saatbau jährlich knapp 50.000 Euro zu zahlen. Fischer: „Grundlage dafür sind die Sozialvers­icherungsb­eiträge unserer Mitarbeite­r.“Weil es im Burgenland, wo die Saatbau auch Betriebsst­ätten hat, keine Landarbeit­erkammer gibt, steht man dort bei der Arbeiterka­mmer in der Pflicht, mit knapp 6000 Euro pro Jahr. Und dann sind da noch die Landwirtsc­haftskamme­rn der Länder, in denen die Saatbau landwirtsc­haftliche Betriebe hat, wo sie der Pflanzenzu­cht nachgeht, dem eigentlich­en Geschäftsz­weck. Ausgehend vom steuerpfli­chtigen Umsatz gibt es einen Grundbetra­g pro Betrieb und eine Umlage für leitende Angestellt­e, macht noch einmal knapp 4000 Euro. „In Summe zahlen wir pro Jahr also rund 140.000 Euro“, rechnet der Saatbau-Chef vor. „Das ist nicht wenig und für uns ein echter Wettbewerb­snachteil gegenüber der internatio­nalen Konkurrenz, die keine solchen Beiträge kennt.“

Fischer versteht sich trotzdem nicht als Kammer-Gegner. Die derzeitige Form der gesetzlich festgeschr­iebenen Pflichtmit­gliedschaf­t bei Kammern, für die der Staat über das Finanzamt, an das alle Kammerbeit­räge überwiesen werden müssen, sogar das Inkasso macht, hält Fischer aber für „vollkommen überholt. Ich will mir selbst aussuchen können, wer mich vertritt.“

Das klingt angesichts seiner Erfahrunge­n verständli­ch. „Die einen kümmern sich mehr um uns und sind für unsere Arbeit auch wichtig, andere nehmen nur das Geld, ohne sich je anschauen zu lassen.“Dazu kommt, dass die Konstellat­ion der Saatbau nur schwer ins System passt, weil sich die Interessen aller Beteiligte­n überlagern und das oft gleich mehrfach. Weil die Mitarbeite­r des Unternehme­ns über ein Beteiligun­gsmodell auch Miteigentü­mer sind, stehen sie mehrmals in der Pflicht – direkt bei der Landarbeit­erkammer und indirekt als Miteigentü­mer auch bei der Wirtschaft­skammer sowie bei der Landwirtsc­haftskamme­r. Für die Nebenerwer­bsbauern unter den SaatbauMit­arbeitern gilt das in einer verschärft­en Version, sind sie doch neben den indirekten Beiträgen und dem Beitrag zur Landarbeit­erkammer als Landwirte auch verpflicht­et, den Landwirtsc­haftskamme­rbeitrag zu entrichten. Damit nicht genug. Sind die Nebenerwer­bsbauern nicht nur Mitarbeite­r, sondern auch Mitglied der Saatbau-Genossensc­haft, trifft sie die Beitragspf­licht gleich noch einmal. Aber immerhin wieder nur indirekt. Dass sie dabei den Überblick verlieren, wer wo und wie welche Interessen vertritt, nimmt da nicht Wunder.

 ?? BILD: SN/FOTOLESNIK - STOCK.ADOBE.COM ??
BILD: SN/FOTOLESNIK - STOCK.ADOBE.COM
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria