Positive Klimabilanz durch Kunstschnee?
Nein, hier geht’s nicht um den steirischen Brauch. Im Gegenteil. Hier ist von einer frischen, saftigen, steirischen Überraschung die Rede. Grazer Forscher wollen nämlich eine positive Wirkung von Kunstschnee auf das Klima nachgewiesen haben.
SALZBURG. Schneit da am Ende einigen Kritikern Post von Rechtsanwälten ins Haus ? Franz Prettenthaler, Direktor der Grazer Joanneum Research Forschungsgesellschaft, ließ jedenfalls eine Klage in Bezug auf Rufschädigung in rechtlicher Hinsicht prüfen.
Und zwar wegen des Vorwurfs, eine Klimastudie aus seinem Hause sei voller Lücken und greife zu kurz. Sogar den Vorwurf „unsauberes wissenschaftliches Verhalten“nahmen universitäre Kritiker aus Tirol in den Mund.
Im Kern besagt die heftig diskutierte Expertise aus Graz nämlich, dass sich technisch produzierter Schnee positiv auf das Klima auswirken könne.
Der Disput zieht sich nun schon seit Monaten hin. Einen ersten Schlagabtausch gab es bereits im Mai. Offiziell präsentiert wurde die Studie aber erst Anfang November im Rahmen des Forums Zukunft Winter in Kaprun. Massive Kritik kam punktgenau am Tag zuvor von Georg Kaser und Wolfgang Gurgiser. Beide sind Klimaforscher. Beide arbeiten an der Universität Innsbruck. „Bevor ich ein Gramm Schnee produziere, muss ich sehr viel Energie investieren, um Rohrleitungen sowie Stromleitungen zu verlegen und um Schneekanonen an Ort und Stelle zu montieren“, hatte etwa Wolfgang Gurgiser gegenüber science.ORF.at erklärt. Dazu kämen die Pistenraupen, die den Kunstschnee auf den Hängen verteilten. Der CO2-Ausstoß, der hinter der gesamten Infrastruktur für die Beschneiung stecke, sei in der steirischen Studie nicht enthalten, so Kritiker Gurgiser.
Das Zustandekommen der Studie „Die Klima- und Energiebilanz von Skigebieten mit technischer Beschneiung unter Berücksichtigung des Albedo-Effektes“des Instituts „Joanneum Research Graz – Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft“war durch die Unterstützung des Fachverbands der Seilbahnen Österreichs und des Landes Steiermark ermöglicht worden.
Simpel erklärt handelt es sich beim Albedo-Effekt um folgendes, an sich logisches Phänomen: Dunkle, nicht beschneite Hänge nehmen Sonnenlicht auf und erwärmen sich. Weiße Skipisten hingegen werfen das Sonnenlicht zurück und haben damit einen kühlenden Effekt. In ihrer Schlussfolgerung kommen Franz Prettenthaler und seine Kollegen Hannes Schwaiger, David Neil Bird, Andrea Damm und Dominik Kortschak zum Ergebnis, dass die Klimabilanz von Kunstschnee letztlich positiv sei. Selbst dann, wenn der Stromverbrauch, der für die künstliche Beschneiung durch die Schneekanonen notwendig sei, gegengerechnet würde.
Für die erstmalige Untersuchung des Albedo-Effektes von Kunstschneepisten in 100 Skigebieten Tirols und der Steiermark wurde laut Angabe der Studienautoren auf Schneedaten aus dem Zeitraum 1990 bis 2009 zurückgegriffen.
Diese Zeitreihen seien mithilfe eines statistischen Modells und von Temperatur- und Niederschlagsdaten verlängert worden.
Auf Basis „der zwei Schneemodellverläufe, Naturschnee und Kunstschnee, wurde die Pistenfläche pro Tag berechnet, die ausschließlich mit Kunstschnee bedeckt war“. Die Ergebnisse der Klimawirksamkeit des Albedo-Effektes seien dann mit den Emissionswerten für die Erzeugung von Strom und dessen Verbrauch zur Erzeugung von Kunstschnee gegengerechnet worden. Der in den untersuchten Gebieten errechnete positive Klimaeffekt liege umgerechnet bei „einer Einsparung von 140.000 Jahreskilometerleistungen durchschnittlicher österreichischer Pkw bzw. 1,3 Milliarden gefahrener Kilometer“. Die These „künstliche Beschneiung als Verstärker des Klimawandels“seit somit für die untersuchten Gebiete nicht haltbar.
Sowohl „die Ergebnisse der betrachteten Skigebiete in Tirol als auch in der Steiermark“würden veranschaulichen, dass die technische Beschneiung „unter bestimmten Voraussetzungen als jedenfalls klimaneutrale bzw. – wenn auch in einem geringen Ausmaß – sogar als klimaschützende Anpassungsmaßnahme der Skilift- und Seilbahnbetreiber bezeichnet werden kann“. Der positive Klimaeffekt der Beschneiung werde umso größer, je höher der Prozentsatz des durch erneuerbare Energieträger gedeckten Strombedarfs während der Schneeproduktion sei. „Hohe Stromimporte aus dem Ausland, verbunden mit höheren Emissionsraten der Stromerzeugung, könnten allerdings das Nettoergebnis der Klimabilanz der Kunstschnee-Erzeugung in einen für den Klimawandel negativen bzw. zusätzlich erwärmenden Bereich führen.“Bei derzeitiger Datenlage, so die Grazer Forscher, überwiege jedoch der Albedo-Effekt den Effekt des Stromeinsatzes in Bezug auf dessen Klimawirksamkeit um etwa das Vierfache. Der positive klimatische Effekt der Oberflächen-Albedo-Änderung überwiege den negativen Emissionseffekt der Kunstschnee-Erzeugung.
Michael Staudinger, der aus Salzburg stammende Leiter der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, kann den Grazer Rechenbeispielen nicht folgen. „Die Schlussfolgerung von Franz Prettenthaler mag im Modell für den einzelnen mit Schnee bedeckten Quadratmeter gelten. Klimatechnisch hat das aber keinerlei Relevanz. Das Argument, Schneekanonen hätten positive Effekte für das Klima, löst sich ganz einfach in Luft auf.“
„Künstliche Beschneiung verstärkt den Klimawandel nicht.“Franz Prettenthaler, Direktor Joanneum Research Graz