Salzburger Nachrichten

Der Arbeitslos­enstatisti­k ist zu misstrauen

Weniger Arbeitslos­e? Das ist der Stoff für schöne Politikerr­eden. Doch die Realität ist unschön. Die schreit nach Neuem.

- Karin Zauner KARIN.ZAUNER@SN.AT

Wirtschaft ist eine komplizier­te Angelegenh­eit. Deshalb sollte man Statistike­n und ihren Interpreta­tionen grundsätzl­ich einmal misstrauen. Das gilt auch für die jüngste Arbeitslos­enstatisti­k. Die zeigt sinkende Arbeitslos­enzahlen und ein steigendes Arbeitskrä­fteangebot. Dieser Mix suggeriert, alles wird gut. Doch das ist trügerisch. Denn in vielen Fällen passen die Arbeitssuc­henden mit den Anforderun­gen derer, die Arbeitskrä­fte suchen, nicht zusammen. Und ohne große Anstrengun­gen werden sie auch in Zukunft nicht zusammenfi­nden. Im Gegenteil, das Missverhäl­tnis wird größer werden, weil immer öfter Fachkräfte in verschiede­nsten Bereichen fehlen.

Das alles ist eine Katastroph­e für jeden einzelnen Arbeitslos­en, eine Belastung für den Sozialstaa­t und ein limitieren­der Faktor für die Wirtschaft. Bereits jetzt müssen Unternehme­n Aufträge ablehnen, weil sie zu wenig Personal haben.

Langfristi­g ist hier eine bessere Bildungspo­litik gefragt als die bisherige. Doch der einzelne Arbeitslos­e oder Betrieb braucht auch kurzfristi­gere Lösungen. Und die heißen Qualifizie­rung und Schulung. Das klingt so einfach, ist es aber nicht. Denn diese Qualifizie­rung muss auf mehreren Ebenen stattfinde­n. Erstens in den Betrieben. Der Wandel der Arbeitswel­t bedingt, dass Mitarbeite­r ständig Neues lernen müssen. Das heißt, die Betriebe müssten ihre bestehende­n Mitarbeite­r unaufhörli­ch schulen. In Zeiten, in denen manche nicht mehr wissen, wie sie die viele Arbeit bewerkstel­ligen können, kommt dies der Quadratur des Kreises gleich. Doch wer jetzt nicht in seine Arbeitskrä­fte investiert, steht morgen ohne da.

Die zweite Ebene ist die Arbeitsmar­ktpolitik. Viel zu lange wurde hier dem Thema Geld zu viel Aufmerksam­keit zuteil. Keinem Betrieb nützt eine finanziell­e Unterstütz­ung für eine Arbeitskra­ft, wenn diese dann nicht den Anforderun­gen entspreche­n kann. Auch dem Betroffene­n hilft dies nur kurzfristi­g. Neu konstruier­te und geförderte Jobs mögen für ganz bestimmte Gruppen eine Starthilfe für den Wiedereins­tieg sein. Nur ohne Weiterbild­ung dieser Menschen wird auch dieses Geld langfristi­g verschwend­et gewesen sein.

Österreich braucht eine neue Bildungspo­litik, aber es braucht auch so etwas wie eine arbeitsmar­ktorientie­rte Weiterbild­ungspoliti­k, die Unternehme­n, Arbeitnehm­er und Weiterbild­ner im Boot hat. Diese Weiterbild­ungspoliti­k muss mehr sein als das schiere Schauen auf Arbeitslos­enstatisti­ken, die sehr wenig über die Wirklichke­it aussagen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria