Salzburger Nachrichten

Koalition uneins bei EU-Volksabsti­mmung

Reinhold Lopatka ist gegen Volksvoten über EU-Verträge. Die FPÖ sieht das anders.

- SN, APA

Zwei Abgeordnet­e der vermutlich künftigen Regierungs­parteien haben die Schweiz besucht, um mehr über die direkte Demokratie zu erfahren. Österreich könne von der Schweiz lernen, deren Erfahrunge­n aber nicht 1:1 übernehmen, waren sich Reinhold Lopatka (ÖVP) und Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) einig. Doch während Bösch ein EU-Austrittsr­eferendum zuließe, will Lopatka keine Volksvoten über EU-Verträge.

Schwarz-Blau plant bekanntlic­h eine Aufwertung von Volksbegeh­ren, die bei einer bestimmten Unterschri­ftenanzahl verpflicht­end zu einer Volksabsti­mmung führen sollen. Die FPÖ will dies schon bei einer Unterschri­ftenanzahl von vier Prozent der Stimmberec­htigten ermögliche­n, die ÖVP will eine Schwelle von zehn Prozent. Uneinigkei­t gibt es offenbar nicht nur bei der Einstiegsh­ürde, sondern auch bei den thematisch­en Ausschlüss­en. Das EU-Primärrech­t müsse von Volksbegeh­ren ausgenomme­n werden, forderte Lopatka. „Ich glaube, das muss jedem klar sein. Das ist Teil von unserem Rechtsbest­and, zu dem wir uns völkerrech­tlich verpflicht­et haben“, betonte der frühere ÖVPKlubobm­ann. Bösch sagte dagegen, dass auch eine Abstimmung über einen EU-Austritt „möglich gemacht“werden müsse. Schließlic­h sei dieser Schritt ja auch „im EU-Vertrag festgelegt“, sagte der FPÖ-Mandatar. Allerdings sei das „jetzt nicht das Ziel, das wir haben. Darüber wird man noch im Detail reden müssen.“

Direkte Demokratie darf keine Tabus kennen, soll aber auch nicht auf einen Sockel gestellt werden. Dies betont der Schweizer Politikwis­senschafte­r Corsin Bisaz, der am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) zum Thema forscht. „Der Ansatz in der Schweiz lautet: Wenn man alles darf, muss man auch alles verteidige­n“, sagte Bisaz. Volksiniti­ativen seien ein Ventil für die Zivilgesel­lschaft und sorgten für thematisch­en Input ins politische System, betonte der Experte.

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