Milliarden aus dem Mixer
Nach der Verabschiedung im US-Senat muss die Steuerreform nun mit dem Repräsentantenhaus abgestimmt werden. Präsident Trump steht vor dem größten Erfolg seiner Amtszeit.
WASHINGTON. Mehr als 6000 Lobbyisten zogen im Hintergrund die Fäden. Eine öffentliche Anhörung gab es nicht. Kaum ein Senator hat das 479-seitige Gesetzeswerk gelesen. Die letzten Änderungen wurden kurz vor der Abstimmung um zwei Uhr nachts handschriftlich eingefügt. Doch nach einem abenteuerlichen parlamentarischen Verfahren steht US-Präsident Donald Trump vor seinem bislang größten politischen Erfolg: Seine Steuerreform könnte tatsächlich vor Weihnachten im Gesetzbuch stehen.
In der Nacht zum Samstag verabschiedete der Senat, die zweite Kammer des US-Kongresses, mit hauchdünner Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen den Entwurf für die größte amerikanische Steuersenkung seit 1986. Die Demokraten lehnten das 1,5-Billionen-Dollar-Vorhaben geschlossen ab. Als einziger Republikaner votierte der Senator von Tennessee, Bob Corker, gegen das Gesetz, das nach offiziellen Berechnungen trotz eines unterstellten kräftigen Wachstumseffekts das Haushaltsdefizit der USA in den nächsten zehn Jahren um eine Billion Dollar (rund 840 Milliarden Euro) erhöhen wird. Dies sei unverantwortlich, monierte Corker: „Aber offensichtlich bin ich in Haushaltsfragen ein Dinosaurier.“
Vor dem Senat hatte bereits das Repräsentantenhaus einen eigenen Reformentwurf verabschiedet, der sich in einzelnen Punkten durchaus unterscheidet. Die Zielrichtung einer massiven Entlastung von Unternehmen und Spitzenverdienern ist aber die gleiche. Nun müssen sich die beiden Kammern des Kongresses auf einen gemeinsamen Text einigen, der dann erneut abgestimmt wird. Dies soll in den nächsten Wochen geschehen. „Etwas Wunderbares wird aus dem Mixer kommen“, jubilierte Trump. Das Ergebnis werde sofort zur Unterschrift auf dem Schreibtisch des Präsidenten landen, der den Amerikanern „ein schönes Weihnachtsgeschenk“versprochen hat. Es wäre sein erster gesetzgeberischer Erfolg in fast einem Jahr Amtszeit.
Kern des Paragrafenwerks ist eine Senkung der Körperschaftsteuer für Unternehmen von 35 auf 20 Prozent. Nach der Verabschiedung deutete Trump an, er könne zur Verringerung des Defizits auch mit einem Satz von 22 Prozent leben. Geringverdiener sollen durch eine Verdoppelung der Grundfreibeträge erleichtert werden. Doch Hauptprofiteure werden nach unabhängigen Berechnungen neben den großen Firmen die Spitzenverdiener und Trump persönlich sein.
Er könnte seine Steuerlast aufgrund der Reduzierung der Alternativen Minimum-Steuer, der Verdoppelung der Freibeträge bei der Erbschaftsteuer und vor allem massiver Entlastungen für eine bestimmte Form von Kleinunternehmen, aus denen sein Immobilienimperium von 500 Gesellschaften besteht, radikal verringern. „Im Schutz der Dunkelheit“habe der Senat dafür gesorgt, dass sich „die Reichen noch mehr in die Taschen stopfen, während die Steuern für die Mittelklasse erhöht werden“, erregte sich Chuck Schumer, der demokratische Minderheitenführer im Senat.
Neben der unsozialen Verteilungswirkung und der gigantischen Erhöhung der öffentlichen Verschuldung sorgen in den amerikanischen Medien vor allem die teilweise bizarren Änderungen für Empörung, die buchstäblich in letzter Minute eingefügt wurden, um einzelne Senatoren zur Zustimmung zu bewegen.
So werden nun Ölbohrungen in Alaska erlaubt, Autohändler bei der Steuer bessergestellt, eigentlich zur Gegenfinanzierung abzuschaffende Freibeträge bei der Grundsteuer wiederbelebt und fiskalische Wohltaten für die Wein-, Bier- und Spirituosenhersteller verteilt. Schon in der Vergangenheit hatten die Republikaner mit dem Steuergesetz massive Einschnitte bei Obamacare verbunden. Experten schätzen, dass dadurch 13 Millionen Amerikaner ihren Krankenversicherungsschutz verlieren könnten.
„Das Haushaltsdefizit wird auf Kosten künftiger Generationen aufgebläht.“Bob Corker, Senator von Tennessee