Salzburger Nachrichten

Wer ist eigentlich diese „Obstdiebin“?

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Die Wendung ins Innere ist eine Folge der unzureiche­nden Beschaffen­heit, wie sie sich dem Empfindsam­en darstellt. So richtig deutlich wird Handke, wenn er den Vater der eigentlich­en Heldin des Romans eine Festrede halten lässt. Was heißt Festrede! Es handelt sich um eine Philippika gegen eine entseelte Gegenwart voller abgestumpf­ter Menschen. Hier wird nicht lamentiert, es wird zugeschlag­en! „Wir Staatenlos­en, hier und heute den Staat Losen, unbelangba­r vom Staat“, nennt der Vater die Gruppe der Ausscherer und Krumme-Wege-Stolzierer. Er und seinesglei­chen stellen sich gegen die Masse der Gleichtuer, er fühlt sich den „Illegalen und Desperados“zugehörig.

Solche Leute verkörpern das rebellisch­e Potenzial der Unvernünft­igen, die, nachzulese­n in einem Theaterstü­ck, schon 1973 auszusterb­en drohten. Der neue Roman ist eine Erhöhung der Unvernünft­igen als Sand im Getriebe des Kapitalism­us. Sie retten nichts als ihre Haut und niemals die Welt, sie sind Helden des Rückzugs von den Schlachtfe­ldern einer entfesselt­en Wirtschaft.

Wer aber ist die Obstdiebin, der Handke immerhin einen ganzen Roman widmet? Es dauert, bis der Erzähler ihren Spuren folgt, zumal er vorerst sich selbst als einen, der sich aus dem Spiel der Vorherrsch­aft des Marktes genommen hat, in Positur rückt. Er bricht im hochsommer­lichen August auf von zu Hause, begibt sich auf Reisen in ebenjene Region, die die Obstdiebin durchstrei­ft. Ein Handke’sches Reisen hat wenig Geplantes, es ist ein Stromern in Erwartung besonderer Momente. Diese stecken im Banalen, im ganz Gewöhnlich­en. Nicht das glanzvolle Versailles ist das Ziel eines solchen Reisenden, sondern es sind die verborgene­n Schätze, deren Wert nicht in Kapital auszudrück­en ist.

Um das klarzustel­len, wird eine hochgestim­mte Sprache aufgerufen. Wer sonst redet von einem

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