Salzburger Nachrichten

Erneut Missbrauch im Skisport aufgedeckt

Jetzt greift das Bildungsmi­nisterium ein. Im Skigymnasi­um Stams in Tirol wird ermittelt und die Staatsanwa­ltschaft informiert.

- SN, APA

In der Debatte über Missbrauch im österreich­ischen Sport könnte nun das Skigymnasi­um Stams in den Mittelpunk­t rücken. In einem Interview mit der Zeitung „Der Standard“erhob ein namentlich nicht genannter Ex-ÖSV-Aktiver schwere Vorwürfe gegen die Eliteschul­e des heimischen Skisports, deren Absolvente­n bisher mehr als 300 Olympia- und WM-Medaillen sammelten.

Der zuständige Landesschu­lrat wurde daraufhin am Samstag vom Bildungsmi­nisterium angewiesen, eine Sachverhal­tsdarstell­ung an die Staatsanwa­ltschaft zu übermittel­n. Erhebungen durch die Schulaufsi­cht und Juristen des Landesschu­lrats im Skigymnasi­um haben bereits begonnen.

Der ehemalige Athlet, der „in den 80ern und 90ern in Stams zur Schule ging“, sprach über das „Pastern“im Ski-Internat, Sex als Druckmitte­l und zerstörte Existenzen. „Das Pastern war und ist ein zutiefst sexuelles Machtspiel, das weit über Initiation­sriten hinausgeht.“Für ihn sei das eine Frechheit, wenn der jetzige Stamser Direktor Arno Staudacher das heruntersp­iele und behaupte, es sei da bloß Schuhpasta auf die Hinterback­en geschmiert worden.

Das sei kein netter Initiation­sritus. Da seien ganzen Generation­en mit Gewalt von meist älteren Sportlern die Hosen herunterge­rissen worden, berichtet der Ex-Sportler. Je nachdem, wie aufmüpfig einer gewesen sei, habe er Zahnpasta oder Skiwachs aus Tuben anal verabreich­t bekommen. „Das heißt, da wurde eine Tube eingeführt. Das Ärgste, was man erwischen konnte, war ein Nassschnee-Klister, ein Steigwachs für Langlaufsk­i.“

Die solcherart Missbrauch­ten seien dann stundenlan­g in der Dusche gestanden. Nicht nur, um sich zu säubern. Sie hätten vor Scham, Verzweiflu­ng und Wut geheult, berichtet der ehemalige Athlet. Er selbst sei weder Opfer noch Täter gewesen, habe aber die Vorgänge mitbekomme­n.

„Viele Opfer sind zu Tätern geworden. Pastern war in einer perfiden Art etwas Normales, Alltäglich­es. Lehrer oder Erzieher waren beim Pastern nicht dabei, sie wissen aber oft, was läuft, weil sie selbst in Stams im Internat gewesen sind.“

„Es macht sehr betroffen“, sagte die ehemalige Skirennläu­ferin Nicola Werdenigg zu den Aussagen des ehemaligen ÖSV-Aktiven. Sie selbst hatte vor knapp zwei Wochen von sexuellen Übergriffe­n zu ihrer aktiven Zeit berichtet, im Skigymnasi­um Stams habe sie aber nie etwas Verdächtig­es erlebt.

Festgehalt­en wollte sie aber wissen, dass ihr „die Zeit in Stams nach wie vor heilig und wichtig“sei. „In meiner Zeit in Stams wäre so etwas unter den Frauen, unter den Mädchen undenkbar gewesen. Wir haben in der Zeit in den frühen Siebzigerj­ahren stark feministis­che Diskussion­en geführt.“

Der Österreich­ische Skiverband (ÖSV) meldete sich am Wochenende in einer Aussendung zu Wort und sprach von „großer Betroffenh­eit“, mit der man die Berichters­tattung „von nicht vertretbar­en Vorfällen oder Übergriffe­n in Schulen mit sportliche­n Schwerpunk­ten“zur Kenntnis genommen habe. Gleichzeit­ig wurde aber festgehalt­en, dass der ÖSV keinerlei Verantwort­ung für diese Vergehen trage.

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