„Das Kind in mir lebt immer noch“
Sie selbst hatte eine schöne Kindheit. Dafür, dass das auch andere Mädchen und Buben erleben dürfen, setzt sich Irene Szimak nun ein: Sie folgte Helmut Kutin an der Spitze von SOS-Kinderdorf nach.
Irene Szimak ist mit ihrer Schwester in Wien groß geworden. Die Eltern haben den Töchtern immer das Gefühl gegeben, viel ausprobieren zu dürfen, ja sogar zu sollen. „Ehrgeizig durfte ich sein und meine Fähigkeiten nutzen. Und wenn einmal etwas schiefgegangen ist dabei, haben Mama und Papa mich bedingungslos aufgefangen. Ich hatte nie das Gefühl, nicht jederzeit nach Hause kommen zu können“, erzählt Szimak.
Dass nicht alle Kinder solche Geborgenheit im eigenen Elternhaus erleben, war ihr früh klar. SOS-Kinderdorf, an dessen Spitze sie am vergangenen Donnerstag gewählt wurde, kannte sie als Mädchen von Zahlscheinen im Postkasten. Eltern und Großeltern spendeten für diese Einrichtung, die es sich zum Ziel gemacht hat, jedem Kind ein liebevolles Zuhause zu ermöglichen. Die Prinzipien: Jedes Kind braucht eine Mutter und wächst am besten mit Geschwistern in einem Haus innerhalb einer Dorfgemeinschaft auf. Ein Kinderdorf liefert die Struktur dafür. Mittlerweile ist die Organisation mit Hauptsitz Innsbruck in 135 Ländern weltweit tätig. In Österreich leben 1700 Kinder und Jugendliche an 14 Standorten, weitere 2700 Familien werden ambulant betreut.
Ein weiterer Blick in Irene Szimaks Kindheit: In den Kuverts von SOS-Kinderdorf steckten Pickerl, die sie an ihr Kinderzimmerfenster klebte. Eine Freundin ihrer Mutter hatte sogar intensiv überlegt, selbst eine Kinderdorf-Mama zu werden. Das Berufsbild und die Organisation hatten also immer schon etwas Gutes für die Wienerin.
Heute ist sie 54 Jahre alt und Mutter einer Tochter. 14 Jahre ist diese alt. Die beiden hätten es schön, wenn auch nicht immer leicht – wie es eben im echten Leben so sei. Doch: „Meine Tochter soll sagen können, dass sie eine gute Kindheit gehabt hat.“– Zwar nicht wie im Märchenschloss, aber das würde schließlich auch nicht auf das spätere Leben vorbereiten. Szimak ist wichtig, dass ihr Kind teilen kann, seine Stärken entfaltet und emotionalen Rückhalt von Zuhause spürt. Sie will der 14-Jährigen nicht alles vordenken und sie lenken, sondern sie auf eigene Füße stellen, damit eine gute Erwachsene aus ihr werden kann.
An der Wirtschaftsuniversität schrieb sie sich 1981 für Handelswissenschaften ein. Die theoretische Ausrichtung lehrte sie strukturiertes Denken. Die Studentin spürte: „Wenn ich später etwas mache, dann mit Begeisterung.“Aufgaben lediglich mechanisch abzuarbeiten sei gar nicht ihr Ding. Es folgten Jobs in Marketing und Public Relations. Bei Unilever drehte sich für sie als Brand Manager alles um Kosmetik und Haushaltsreiniger. 1997 verließ sie den Konzern und heuerte beim Konkurrenten Beiersdorf an.
In dieser Zeit kam SOS-Kinderdorf zurück in Szimaks Leben. „Es gab eine Kooperation. Bei großen Familienfesten wurden Lose verkauft. Der Erlös ging an Kinderdörfer. So wussten unsere Mitarbeiter, für wen sie sammeln. Es ging um ein Herzensprojekt und nicht darum, einen Sack Geld anonym zu übergeben“, sagt sie.
2013 entschied sie, sich ehrenamtlich einzusetzen; sie wechselte in den Aufsichtsrat von SOSKinderdorf. Seit vergangenem Donnerstag ist sie Vorsitzende dieses Gremiums. Damit folgt sie Helmut Kutin an der Spitze nach. Nach 50 Jahren als führender Vertreter machte er den Schritt in die zweite Reihe. Der Aufsichtsrat besteht nun aus drei Frauen und vier Männern. Das Amt des Präsidenten gibt es so nicht mehr.
Wie Irene Szimak ihre Führungsrolle anlegt? „Ich bin nicht im Rampenlicht. Dafür haben wir unseren Geschäftsführer. Wir im Aufsichtsrat sollen sicherstellen, dass Dinge ordnungsgemäß ablaufen.“Als Ehrenamtliche werde sie bei ihren Aufgaben jedenfalls nicht auf die Uhr schauen, sondern tun, was gut für SOS-Kinderdorf sei. Sie wolle mit kleinen Programmen möglichst viele Mädchen und Burschen unterstützen. Neue Medien sieht Szimak als eine der größten Herausforderungen. „Wir alle müssen immer schneller immer flexibler werden. Auch ich“, sagt sie.
Neben ihrem Brotberuf, sie ist nun Business Development Manager bei der Wiener Privatklinik Preventum, schlüpft Szimak in verschiedene Rollen. Immerhin sei sie eine Frau mit vielen Facetten. Da sei zum einen ihre wichtigste Rolle – die als Mutter. Dazu komme die als Freundin in einem Nest aus Freundschaften. Dazu die Rolle als Ehefrau. „Mein Mann ermöglicht mir so viele Dinge. Auch wenn das bedeutet, dass er zu Hause mehr machen muss“, sagt sie und beschreibt sich als neugieriges Wesen, „und das Kind in mir lebt immer noch“. Die Neugier schlägt auch bei einem ihrer Hobbys durch, dem Reisen. Zwar gibt es Herzensziele wie das Sommerhaus im Burgenland oder den Kalterersee in Südtirol; fremde Länder lerne sie jedoch am liebsten kennen.
Weil SOS-Kinderdorf nicht nur in Österreich wirkt, wird Irene Szimak als Vorsitzende des Aufsichtsrats bald das eine oder andere Fokusland besuchen. Nepal oder Peru etwa. „Die Idee der Kinderdörfer funktioniert weltweit“, betont sie.