Belohnte Angriffslust am Ural
Stefan Kraft konnte in Nischni Tagil einen deutschen Doppelerfolg nicht verhindern, landete aber im Spitzenfeld. Für die russische Sportnation gab es abseits des Springens viel Brisanz.
Dieser Skisprung-Winter könnte einer der abwechslungsreichsten in der Weltcupgeschichte werden. Nach dem vierten Saison-Einzelspringen am Sonntag im russischen Nischni Tagil gab es den vierten Sieger: Nach Junshiro Kobayashi (Wisła), Jernej Damjan (Ruka) und Richard Freitag (Nischni Tagil/Samstag) gewann am Sonntag der Deutsche Andreas Wellinger 4,8 Punkte vor seinem Landsmann Freitag den zweiten Großschanzenbewerb an diesem Wochenende in der Stadt am mittleren Ural.
Und Stefan Kraft wird sich am Sonntag gedacht haben: „Bitte nicht wieder Vierter.“Denn am Samstag verfehlte der Salzburger das Podest nur um einen Zehntelpunkt, einen Tag darauf rettete Kraft um 0,3 Punkte den Platz auf dem Stockerl vor – wieder einem Deutschen – Markus Eisenbichler. „Da sieht man, wie eng die Weltspitze heuer beieinanderliegt“, meinte der 24Jährige zu den SN, „aber ich bin mit meiner Leistung sehr zufrieden. Es ist nicht so oft, dass beide Sprünge gut passen.“Beneidenswert ist die Form der deutschen Springer: Am Richard Oberndorfer berichtet für die SN aus Nischni Tagil Sonntag landeten drei unter den ersten vier, am Samstag drei unter den ersten sechs. „Die Deutschen machen eine gute Arbeit“, so Kraft nachher.
Die beiden Springen in Russland waren aber wieder der Beweis: Derzeit kann von den ÖSV-Adlern nur Kraft mit der absoluten Spitze mithalten. Von den restlichen Österreichern mischte an beiden Wertungstagen nur Manuel Fettner mit: Am Sonntag ein 13., am Samstag ein achter Platz waren seine Ausbeute. Michael Hayböck fiel am Samstag vom elften auf den 19. Rang zurück. Sonntag verpasste der Oberösterreicher mit 116,5 Metern das Finale der besten 30. Hayböck hat nach seiner im Oktober erlittenen Knöchelverletzung noch Aufholbedarf. Für Stefan Kraft und Co. geht es nun am kommenden Wochenende mit zwei Springen in Titisee-Neustadt weiter. Mit dabei auch Gregor Schlierenzauer, der in Deutschland ein Comeback angekündigt hat.
Abseits der Schanze in Nischni Tagil bewegten zwei Themen äußerst emotional die Veranstalter: die Auslosung der Fußball-WM in Moskau sowie die morgen, Dienstag, vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) erwartete Entscheidung um eine mögliche Sperre des gesamten russischen Teams für die Olympischen Winterspiele im Februar in Pyeongchang (siehe auch Seite 6). Um die Fußball-WM gibt es schon bedingungslose Euphorie, beim Thema Olympia herrscht Schockstarre vor einer möglichen Sperre der „Sbornaja“. Und nach Informationen der „Salzburger Nachrichten“soll es schon eine Vorentscheidung gegeben haben, das berichten in Nischni Tagil Insider aus dem russischen Wintersportverband. Demnach sollen die russischen Athleten unter be- stimmten Voraussetzungen in Pyeongchang dabei sein dürfen. Das heißt für die Athleten: Sie müssen in Weiß antreten und auf russische Symbole verzichten, im Falle eines Sieges wird keine Hymne gespielt, außerdem muss auf die russische Fahne während der Spiele verzichtet werden. Der russische Verband wird diesen Einschränkungen vermutlich nicht zustimmen, zu sehr wäre das nationale Interesse eingeschränkt. Es wird immer wahrscheinlicher, dass die Wintersport-Großnation Russland wegen des mutmaßlichen und staatlich geförderten Dopings nicht in Südkorea dabei ist.