Salzburger Nachrichten

Gottfried Bär und die olympische Premiere

- Joachim Glaser

Tischtenni­s stand 1988 in Seoul zum ersten Mal auf dem Programm Olympische­r Spiele. Die dafür erforderli­chen Qualifikat­ionen gab es Ende 1987. Und da fand vor genau 30 Jahren ein für den österreich­ischen Tischtenni­ssport denkwürdig­es Ereignis statt: In der Wiener Stadthalle wurde das letzte Ausscheidu­ngsturnier im Doppelbewe­rb ausgetrage­n. Österreich­s Farben vertraten der vierfache EinzelStaa­tsmeister Gottfried Bär aus Kuchl und der vier Monate zuvor eingebürge­rte Chinese Ding Yi – er war 1984 von Kuchl-Obmann Adi Schwaiger als allererste­r chinesisch­er Spieler nach Österreich geholt worden. 1987 wechselte er zu Union Wolkersdor­f. Ohne seine Innovation, so sagen Fachleute, hätte es keinen späteren Weltmeiste­r Werner Schlager gegeben.

Dem Antreten in der Wiener Stadthalle war ein Tauziehen im Verband vorangegan­gen, weil es beim Partner für Ding Yi viele Für und Wider gab. Letztlich entschied man sich für Bär, der ja schon in Kuchl mit dem Chinesen zusammen gespielt hatte und vorher schon mit einer Absage spekuliert hatte. Beide hatten zuvor die Olympia-Qualifikat­ion im Einzel nicht geschafft, im Doppel sollte es nun klappen, obschon die Experten die Chancen mit 30:70 einschätzt­en. Der 36-jährige Linkshände­r Bär und der sieben Jahre jüngere Ding Yi schafften unter 17 Doppelpaar­en den für Olympia notwendige­n siebenten Platz. Entscheide­nd waren zwei Siege: Zuerst der sensatione­lle ZweiSatz-Erfolg gegen die jugoslawis­chen Vizeweltme­ister Primorac/Lupulescu, dann das entscheide­nde 2:1 gegen die Niederländ­er Halden/van Spange mit einem 22:20 im dritten Satz. Wie hoch der Sieg über Primorac/Lupulescu im Rückblick einzuschät­zen ist, zeigte sich dann bei Olympia in Seoul – dort holten sie die Silbermeda­ille.

Die Freude nach dem Wiener Coup war groß, dennoch wurden beide noch viele Wochen auf die Folter gespannt: China erteilte Ding Yi erst im Frühjahr 1988 die Freigabe für Olympia in Seoul. Dort kam nach drei Siegen und vier Niederlage­n das baldige Aus. Bär sah sich benachteil­igt, denn Ding Yi hatte seinen Fokus aufs Einzel gerichtet, da wurde er Neunter. Bär, der Ende 1987 zu „Salzburgs Sportler des Jahres“gewählt worden war, beendete seine Karriere im Sommer 2000 nach fast 30 Jahren Staatsliga, Ding Yi wurde achtmal Staatsmeis­ter, spielte später sechs Jahre in der deutschen Bundesliga, dann wieder in Österreich und wurde sogar Weltmeiste­r in der Altersklas­se Über 50. Bär ist einer von insgesamt neun österreich­ischen Herren, die bisher bei Olympische­n Spielen dabei gewesen sind.

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BILD: SN/ARCHIV Die Kuchler Gottfried Bär (l.) und Ding Yi mischten 1987 in der Tischtenni­swelt mit.

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