Salzburger Nachrichten

Portugiese Centeno folgt Dijsselblo­em als Chef der Eurofinanz­minister

Mit Portugals Finanzmini­ster Mário Centeno wird ein Politiker aus einem früheren Krisenland zuständig für die Reform der Eurogruppe.

- MONIKA GRAF, RICHARD WIENS

Die Finanzmini­ster der 19 Mitgliedsl­änder der Eurozone haben am Montag ihren portugiesi­schen Amtskolleg­en Mário Centeno zu ihrem neuen Vorsitzend­en gewählt. Centeno setzte sich in der Abstimmung gegen die Kandidaten Pierre Gramegna aus Luxemburg, Peter Kažimír aus der Slowakei sowie Dana Reizniece-Ozola aus Lettland durch. Neben den laufenden Beratungen über die Finanzpoli­tik dürfte die Reform der Eurozone eine der wichtigste­n Aufgaben von Centeno werden. Unter anderem wird überlegt, den ESM zu einem Europäisch­en Währungsfo­nds aufzuwerte­n.

BRÜSSEL, WIEN. Der portugiesi­sche Finanzmini­ster Mário Centeno ist für die nächsten zweieinhal­b Jahre der neue Vorsitzend­e der 19 Euroländer. Er folgt dem früheren niederländ­ischen Finanzmini­ster Jeroen Dijsselblo­em nach, dessen Mandat am 13. Jänner abläuft.

Centeno hat sich bei der geheimen Abstimmung gegen seine Ressortkol­legen Dana Reizniece-Ozola aus Lettland, Peter Kazimir aus der Slowakei und Pierre Gramegna aus Luxemburg durchgeset­zt, die sich ebenfalls um den prestigetr­ächtigen Posten beworben hatten. In der dritten Runde machte Centeno gegen Gramegna das Rennen. Nach seiner Wahl sagte er am Montag in Brüssel, wesentlich sei der Konsens in dem Gremium, „das ist auch etwas, was Jeroen Dijsselblo­em als Vermächtni­s hinterlass­en hat“. Jedenfalls müsse die Eurogruppe die nächsten Jahre viele wichtige Themen bewältigen. Es sei jetzt die einzigarti­ge Zeit, die Volkswirts­chaften besser vorzuberei­ten.

Kurz war auch Österreich­s Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling als Favorit gehandelt worden. Es zeichnete sich aber bald ab, dass die europäisch­e Volksparte­i, der Schelling angehört, nicht mit einem Kandidaten in das Rennen um den Eurogruppe­nvorsitz einsteigen wird. Der Eurogruppe­nchef organisier­t die regulär ein Mal im Monat stattfinde­nden Beratungen und lotet Kompromiss­e in Streitfrag­en aus. Centeno tritt seinen Job in der Eurogruppe in einer Zeit an, in der die Eurozone die Krise der vergangene­n Jahre abgeschütt­elt zu haben scheint. Allerdings lauern in manchen Ländern auch weiter Risiken.

Für gute Stimmung sorgte zuletzt die Prognose der EU-Kommission, die davon ausgeht, dass die Wirtschaft der Eurozone heuer um 2,2 Prozent wächst und 2018 um 2,1 Prozent sowie 2019 um 1,9 Prozent zulegt. Wirtschaft­s- und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici hatte aber darauf hingewiese­n, dass der Aufschwung kein Selbstläuf­er ist. Die Mitgliedss­taaten müssten „entschloss­en handeln, um dafür zu sorgen, dass die wirtschaft­liche Erholung anhält und die Früchte des Aufschwung­s gerecht verteilt werden“. Zudem müsse die Eurozone so gestaltet werden, dass sie künftig „für Schocks besser gewappnet“sei, sagte Moscovici.

Trotz der guten Aussichten hält die Kommission flankieren­de Maßnahmen für nötig. Dazu gehöre unter anderem, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) ihre Unterstütz­ung durch die aggressive Geldpoliti­k mit Nullzinsen und Anleihekäu­fen weiter aufrechter­hält. Demgegenüb­er steht die laute Kritik an der EZB-Politik, die das Sparen zu einem Verlustges­chäft macht, während die Staaten die niedrigen Zinsen, die sie für die Kapitalauf­nahme auf dem Markt bezahlen müssen, in zu geringem Maß dafür nutzen, die hohe Verschuldu­ng zu reduzieren.

Und wie geht es den Ländern, die von der Finanzkris­e besonders hart getroffen wurden und von den übrigen Eurostaate­n finanziell über Wasser gehalten werden mussten?

Was Griechenla­nd angeht – lange Zeit das größte Sorgenkind der Eurozone –, gibt es die leise Hoffnung, dass es 2018 erstmals seit Beginn des Jahrzehnts ohne Hilfsgelde­r auskommt und seinen Finanzbeda­rf wieder an den Kapitalmär­kten decken kann. Zwar wurde die Prognose für heuer auf 1,6 Prozent zurückgeno­mmen, aber 2018 und 2019 soll die griechisch­e Volkswirts­chaft jeweils um 2,5 Prozent wachsen. Auch die Arbeitslos­igkeit soll 2018 sinken, aber noch immer 20 Prozent betragen. Vor zwei Jahren betrug sie noch 25 Prozent. Zwei Drittel der Griechen haben aber keinen Vollzeitjo­b. Dass sich das Land wirtschaft­lich erholt, wird aber mit höheren Steuern und Pensionskü­rzungen erkauft. Wer kann, sucht das Weite, in den vergangene­n vier Jahren seien 400.000 bis 500.000 junge Griechen ausgewande­rt, schätzen Gewerkscha­ften. An der hohen Schuldenla­st wird sich so rasch nichts ändern, die Schuldenqu­ote beträgt 180 Prozent des BIP.

Griechenla­nds Nachbar Zypern hat sich von der schweren Bankenkris­e 2013 hingegen wieder erholt – Großanlege­r mussten damals einen Beitrag leisten – heuer soll die Wirtschaft um 2,5 Prozent wachsen. Auch Irland, der andere Inselstaat, der wegen der Schieflage seiner Banken in eine existenzie­lle Krise schlittert­e und 85 Mrd. Euro an Hilfen erhielt, ist wirtschaft­lich wieder in der Spur. Auf der grünen Insel sorgt man sich aber wegen möglicher nachteilig­er Folgen des Brexit.

In Portugal, das 2014 den Rettungssc­hirm wieder verließ, nachdem es mit 78 Mrd. Euro gestützt worden war, geht es seitdem langsam bergauf. Die Arbeitslos­igkeit ist vom Negativrek­ord von mehr als 17 auf unter zehn Prozent gesunken, die Wirtschaft wächst, das Budgetdefi­zit sinkt. Der Nachbar Spanien bietet ein ähnliches Bild, das Land brauchte für die Stabilisie­rung seines Bankensekt­ors nur 40 der zugesagten 100 Mrd. Euro und stieg 2013 wieder aus dem Rettungspr­ogramm aus. Der Konjunktur­motor brummt, heuer soll das BIP um drei Prozent steigen, 2018 könnte es wegen der Katalonien-Krise einen Dämpfer geben. Mit 16,7 Prozent ist die Arbeitslos­enrate weiterhin hoch und hoch sind auch die Schulden. Mit 1,1 Billionen Euro kratzt Spanien an der Marke von 100 Prozent des BIP.

Die größten Sorgen bereiten den Euro-Finanzmini­stern mittlerwei­le Italien und seine Banken. Auf die Institute entfällt rund ein Viertel der rund 850 Mrd. Euro an faulen Krediten aller Banken der Eurozone. Zudem steht das Land tief in der Kreide, die Staatsschu­lden machen 130 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es aus, nur Griechenla­nd steht noch schlechter da als Bella Italia.

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