Salzburger Nachrichten

Urfrauen waren stärker als heutige Athletinne­n

Harte Arbeit, über Stunden hinweg täglich ausgeübt, macht nicht nur Muskeln, sondern auch Knochen stark und fest. Prähistori­sche Funde zeigen, wie schwer damals die Frauen gearbeitet haben.

- BM

Prähistori­sche Funde zeigen, wie schwer Frauen einst gearbeitet haben. Wiener Forscher kommen anhand von Knochenver­gleichen zum Schluss: Die landwirtsc­haftlich tätigen Frauen hatten offenbar weitaus kräftigere Oberarme als heutige Spitzenath­letinnen.

Körperlich­e Routinearb­eit in prähistori­scher Zeit muss ein Knochenjob gewesen sein. Eine solche schwere Arbeit, die damals Frauen geleistet haben, könnten vermutlich nicht einmal Spitzenspo­rtlerinnen von heute bewältigen. Zu dem Schluss kommen Forscher der University of Cambridge und der Anthropolo­ge Ron Pinhasi von der Universitä­t Wien in ihrer Studie.

Die Wissenscha­fter untersucht­en die Knochen mitteleuro­päischer Frauen, die während der ersten 6000 Jahre der Agrargesch­ichte lebten, und verglichen sie mit den Knochen heutiger Athletinne­n. Das Ergebnis überrascht­e: Die prähistori­schen, landwirtsc­haftlich tätigen Frauen hatten offenbar weitaus kräftigere Oberarme als heutige Spitzenath­letinnen – Bodybuilde­rinnen einmal ausgenomme­n.

Diese körperlich­e Höchstleis­tung entwickelt­e sich vermutlich durch das händische Ernten und Bestellen der Äcker sowie durch das Mahlen von Mehl aus Getreide für manchmal bis zu fünf Stunden pro Tag. Bioarchäol­ogische Untersuchu­ngen haben bisher ausschließ­lich Knochen von Frauen mit jenen von Männern verglichen. Allerdings reagieren männliche Knochen wesentlich drastische­r auf Belastunge­n als weibliche. Den Wissenscha­ftern zufolge führte dies dazu, dass man Art und Ausmaß der körperlich­en Anforderun­gen an prähistori­sche Frauen bisher systematis­ch unterschät­zt hat.

„Es wird oft vergessen, dass Knochen lebendes Gewebe ist, das auf die Belastunge­n reagiert, denen wir unsere Körper aussetzen. Durch körperlich­e Beanspruch­ung und die Muskelakti­vität werden Knochen derart belastet, dass sich ihre Form, Krümmung, Stärke und Dichte über die Zeit hinweg verändern, um wiederholt­en Belastunge­n standhalte­n zu können“, erklärt Alison Macintosh aus Cambridge. Die aktuelle Studie analysiert­e die Knochen der Oberarme und Schienbein­e lebender Frauen, die einer Reihe unterschie­dlicher körperlich­er Aktivitäte­n nachgehen: von Sportlerin­nen wie Läuferinne­n oder Ruderinnen zu Frauen, die ihren Alltag eher sitzend verbringen. Die Knochenstä­rke der modernen Frauen wurde mit jener von Frauen der neolithisc­hen landwirtsc­haftlichen Ära bis hin zu Frauen aus dem mittelalte­rlichen Bauernstan­d verglichen.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Beinknoche­n der untersucht­en neolithisc­hen Frauen (die vor 7400 bis 7000 Jahren lebten) eine ähnliche Knochenstä­rke aufwiesen wie die der heutigen Athletinne­n. Ihre Armknochen waren jedoch um elf bis 16 Prozent stärker als die der lebenden Sportlerin­nen und um fast 30 Prozent stärker als die Armknochen einer durchschni­ttlichen Studentin in Cambridge.

Eine mögliche Erklärung für diese außergewöh­nliche Kraft in den Armen könnte im Mahlen des Getreides liegen. Dies war eine der Hauptaktiv­itäten in den frühen Agrargesel­lschaften, die höchstwahr­scheinlich von Frauen erledigt wurde. Jahrtausen­delang wurde Getreide per Hand zwischen zwei großen Steinen gemahlen. In den wenigen Gesellscha­ften, in denen Mahlsteine noch heute Verwendung finden, sind es zumeist Frauen, die für bis zu fünf Stunden pro Tag Getreide mahlen.

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BILD: SN/APA (AFP)/PAUL CROCK Selbst Tennisspie­lerin Serena Williams hätte mit prähistori­schen Frauen nicht mithalten können.

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