Linz ist das Versuchslabor
Oberösterreich saniert seine Landesfinanzen. Die SPÖ kritisiert Einschnitte im Sozialbereich – und fürchtet, dass das Beispiel auf Bundesebene Schule machen könnte.
WIEN. Budgetkürzungen auf Kosten von Familien, jungen Menschen und Menschen mit Beeinträchtigung. Ein „Nachtwächterstaat neoliberalen Zuschnitts“. Einschnitte bei der Kinderbetreuung. All das drohe, sollte die bevorstehende schwarz-blaue Regierung ihre Pläne in die Tat setzen. Dies sagte am Montag SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter, und er hatte als Zeugin der Anklage eigens die oberösterreichische Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer, SPÖ, zu seiner Pressekonferenz mitgebracht.
Warum gerade die oberösterreichische Soziallandesrätin? Weil das Land Oberösterreich mit seiner schwarz-blauen Landesregierung darangegangen ist, mit kräftigen Einschnitten den Landeshaushalt zu sanieren. Im kommenden Budgetjahr soll die Neuverschuldung genau null Euro betragen. Landeshauptmann Thomas Stelzer erwartet 2018 rund 100 Millionen mehr an Einnahmen. Gleichzeitig will er 150 Millionen einsparen. Und zwar mit einer Methode, die wohl auch von den Koalitionsverhandlern auf Bundesebene erwogen wird: Jedes Ressort muss seine Ermessensausgaben um zehn Prozent zurückfahren, mehr Geld gibt es für Soziales, Gesundheit, Sicherheit und „neue Schwerpunkte“. Darunter eine Breitbandoffensive in den Regionen, Forschung und Wissenschaft, einen digitalen Sicherheitsfunk und den öffentlichen Verkehr.
Dass trotz steigenden Sozialbudgets (plus drei Prozent) gerade aus dem Sozialbereich die lautesten Proteste kommen, hat einen einfachen Grund. Das zusätzliche Geld soll nämlich nicht zur Finanzierung neuer Sozialleistungen verwendet werden, sondern zum Abbau eines 45 Millionen schweren Schuldenrucksacks. Laut Soziallandesrätin Gerstorfer müssten die Sozialleistungen von 580 auf 560 Mill. Euro heruntergefahren werden.
Für heftige Kritik sorgte auch der Umstand, dass die Fachhochschulen künftig Studienbeiträge einheben werden und auch die Nachmittagsbetreuung der Kinder nicht mehr gratis sein soll. Gegenargument der Landesregierung: Zwei Drittel aller Fachhochschulbetreiber heben bereits jetzt Studiengebühren ein, und auch die Nachmittagsbetreuung im Kindergarten sei bereits jetzt in sieben von neun Bundesländern kostenpflichtig. Dass es sich nicht bloß um eine Sparmaßnahme, sondern auch um einen Paradigmenwechsel handelt, machte LH Stelzer dieser Tage in einem Hintergrundgespräch in Wien deutlich: „Die Gratismentalität muss ein Ende haben“, sagte er.
Kritik in der Kulturszene löste der Umstand aus, dass das Kulturbudget des Landes um 3,56 Prozent auf 187,5 Millionen Euro zurückgefahren werden soll. Die Kürzungspläne in Oberösterreich „machen deutlich, wie Schwarz-Blau in der Bundesregierung die Finanzierung ihrer Vorhaben umsetzen wird“, warnte Matznetter. Und: Oberösterreich sei „das Versuchslabor für Schwarz-Blau im Bund“.
Das Vorhaben Oberösterreichs, 2018 ohne neue Schulden auszukommen, ist durchaus ambitioniert. Das Land Wien beispielsweise plant für das kommende Jahr neue Schulden in der Höhe von 376 Millionen Euro.
Oberösterreichs Soziallandesrätin Gerstorfer – sie ist auch Chefin der Landes-SPÖ – hat derzeit übrigens auch an einer anderen Front zu kämpfen. Am Freitag wurde bekannt, dass zwei Mitarbeiter eines Sozialvereins das Land Oberösterreich sowie 20 Personen mit Beeinträchtigung um mindestens 1,5 Millionen Euro geprellt haben sollen. ÖVP und FPÖ werfen Gerstorfer vor, zwar einen externen Prüfer und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, nicht aber ihre Kollegen in der Landesregierung informiert zu haben. Damit habe sie die „politische Informationspflicht“verletzt.