Salzburger Nachrichten

Gesang aus dem Wort heraus

„Siegfried“und „The Wagner Project“: Matthias Goerne auf neuen Wegen.

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Am Sonntag endete im Theater an der Wien die neu zusammenge­bastelte „Ring-Trilogie“(wir berichtete­n Montag über die ersten beiden Teile). Die Sicht von Regisseuri­n Tatjana Gürbaca, Dramaturgi­n Bettina Auer und Dirigent Constantin Trinks löste, wie erwartbar, am Ende auch unter profession­ellen Beobachter­n deutlich kontrovers­e Reaktionen aus.

Wir kehrten unterdesse­n zum „Original“zurück. Im CD-Player landete „Siegfried“in der Deutung des wie schon in den Teilen zuvor („Rheingold“, „Walküre“) klug, nobel abgestuft und superb musizieren­den Hong Kong Philharmon­ic Orchestra unter der Leitung des designiert­en Chefs der New Yorker Philharmon­iker, Jaap van Zweden.

Fernab der europäisch­en Wagner-Zentren gab das Projekt dem Bariton Matthias Goerne Gelegenhei­t, sozusagen in Ruhe die Partien des Wotan und hier des Wanderer zu erproben und in konzertant­en Aufführung­en mit CD-Aufzeichnu­ng zu gestalten. Er macht es mit der ihm eigenen Sorgfalt der Diktion, was vor allem für den „langen Atem“, den es für den Wanderer braucht, essenziell ist. Und genau aus der präzis durchdacht­en Textdeutun­g heraus schafft Goerne eine Stimmfarbe­nvielfalt und Klangabstu­fung, die der resignativ­en Würde dieser Riesenpart­ie ihr göttlichme­nschliches Maß gibt.

Das um ihn versammelt­e Ensemble ist hochkaräti­g, gleicherma­ßen erfahren wie – im Falle der leuchtende­n Brünnhilde Heidi Melton – „neugierig“jung. Und wer das fein geschliffe­ne Parlando zwischen Mime (David Cangelosi) und Siegfried hört (mit sprechende­r Leichtigke­it in Artikulati­on und Phrasierun­g und daraus organisch entwickelt­er, immer noch brillanter heldischer Energie auch in der vorzüglich­en Textverstä­ndlichkeit: Simon O’ Neill), mag nicht mehr ans Theater an der Wien denken . . .

Matthias Goerne legt gleich nach: Bei harmonia mundi erschien eben – in viele wunderbar musizierte orchestral­e Vor- und Zwischensp­iele eingebette­t, denen das Swedish Radio Symphony Orchester unter dem hörbar gereiften David Harding elegant souveränen Raum gewährt – „The Wagner Project“. Unter dem Motto „Von Göttern und Menschen“und „Erlösung“verströmt der an den Aufgaben ebenfalls wachsende deutsche Bariton balsamisch­en Wagnerwohl­laut als Hans Sachs, König Marke, Wotan, Holländer, Wolfram und Amfortas. Weich und schmiegsam strömt die Stimme, die dort, wo es nötig ist, dem Klang Erdung und Kern gibt: Gesang, aus dem Wort heraus. Vorzüglich, vorbildlic­h, eine neu aufgeschlo­ssene (Goerne-)Welt. CD:

Wagner: „Siegfried“, Hong Kong Philharmon­ic, Jaap van Zweden; vier CDs, Naxos; The Wagner Project, Matthias Goerne, Swedish RSO, Daniel Harding; 2 CDs, harmonia mundi

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