Salzburger Nachrichten

Sonderkomm­ission soll Missstände in Heim klären

Ex-Mitarbeite­r erhoben schwere Vorwürfe gegen die Therapeuti­schen Gemeinscha­ften. Der Gründer will klagen.

- SN-trö, APA

Die Aufregung rund um angebliche Missstände in einer Jugendwohn­einrichtun­g in Niederöste­rreich ist am Montag zum Landespoli­tikum geworden. Während Landesrat Franz Schnabl (SPÖ) die Einrichtun­g einer Hotline und einer Sonderkomm­ission bekannt gab, schickte die grüne Klubobfrau Helga Krismer eine Sachverhal­tsdarstell­ung an die Staatsanwa­ltschaft. Die private Trägereinr­ichtung soll „detaillier­t durchleuch­tet“werden, betonte Krismer.

Ins Rollen gebracht hatten den Fall ein ehemaliger Mitarbeite­r des Bundesverb­ands Therapeuti­sche Gemeinscha­ften (TG) sowie drei Jugendlich­e. Sie hatten in der ORFNachric­htensendun­g ZiB 2 von Erniedrigu­ngen durch Betreuer gesprochen. Begonnen hatte es mit einem Facebook-Eintrag eines Sozialarbe­iters über einen herzkranke­n Bewohner, der in einem Auto ohne Kennzeiche­n gehaust habe, weil er vom Heim weggewiese­n worden sein soll. Zudem sollen Bewohner körperlich misshandel­t, kalt abgeduscht oder gezwungen worden sein, im Stehen zu essen.

Die in den Raum gestellten „grausamen Einzeltate­n“hätten in keiner Unterbring­ung etwas verloren, hielt SPÖ-Landesrat Schnabl fest. Es müsse alles zur Aufklärung geleistet werden, allerdings dürfe es bei der Aufarbeitu­ng zu keiner Retraumati­sierung kommen. Die Untersuchu­ngsgruppe wird von der Familienre­chtsanwält­in Simone Metz und der Fachärztin für Psychiatri­e und Neurologie Gabriele Fischer geleitet. Ein Zwischenbe­richt über die Arbeit der Kommission werde zwischen 15. und 20. Dezember vorgelegt, kündigte Schnabl an.

Die im Jänner 2017 angezeigte­n Vorfälle sollen sich von Anfang 2015 bis Ende September 2016 zugetragen haben, erklärte Grün-Abgeordnet­e Krismer. Allerdings stellte die Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt im Mai die Ermittlung­en wieder ein. Krismer geht davon aus, dass die Übermittlu­ng der Sachverhal­tsdarstell­ung neuerlich in Ermittlung­en münden werde. „Es hat ja auch für einen Hypo-Prozess mehrere Anläufe gebraucht“, sagte die Grün-Politikeri­n.

Die Therapeuti­schen Gemeinscha­ften bieten Betreuung von Kindern und Jugendlich­en aus dysfunktio­nalen Familien, die in anderen Institutio­nen nur sehr schwer oder nicht mehr führbar sind. Geschäftsf­ührer und Gründer Hermann Radler hat die Vorwürfe bereits zurückgewi­esen. „In keiner unserer Wohngemein­schaften werden Jugendlich­e erniedrigt oder medikament­ös ruhiggeste­llt.“Die Vorwürfe bestürzten ihn sehr. Die TG wollen nun auch rechtlich dagegen vorgehen.

Zum konkreten Vorwurf des obdachlose­n Jugendlich­en, der in einem Pkw gehaust haben soll, erklärten die TG: Der Jugendlich­e sei aus der Einrichtun­g aufgrund bestimmter Vorfälle zwei Mal polizeilic­h weggewiese­n worden. Die Bezirkshau­ptmannscha­ft habe ihn daraufhin bei den Therapeuti­schen Gemeinscha­ften abgemeldet und den Betreuungs­vertrag gekündigt.

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BILD: SN/PHOTOGRAPH­EE.EU - STOCK.ADOBE.COM Jugendlich­e sollen Gewalt von Betreuern ausgesetzt gewesen sein.

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