Salzburger Nachrichten

Die Kirche dient dem Leben

Die steirische Diözese Graz-Seckau hat zeitgerech­t zum 800-Jahr-Jubiläum ein Zukunftsbi­ld erstellt. Um mit möglichst vielen Menschen in Kontakt zu kommen, werden „Kirchorte“geschaffen.

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SECKAU, GRAZ. 800 sei eine nahezu biblische Zahl, eine, die unendliche Fülle bedeute, sagt der steirische Diözesanbi­schof Wilhelm Krautwasch­l: „Eine Fülle an Leben und Zeugnissen christlich­en Lebens in diesem Land.“Die Diözese GrazSeckau nimmt das 800-Jahr-Jubiläum, das im kommenden Jahr gefeiert werden wird, nicht nur zum Anlass für eine Rückbesinn­ung und eine Standortbe­stimmung. Eine Arbeitsgru­ppe hat auch ein Zukunftsbi­ld für die Katholisch­e Kirche in der Steiermark entworfen. Der Titel? „Gott kommt im Heute entgegen“.

Aufgabe des Zukunftsbi­ldes sei es aber nicht, ein Bild festzuschr­eiben. Vielmehr schaffe es einen Rahmen und lege die Richtung fest, heißt es. Insgesamt haben sich steiermark­weit über 2600 Personen am Zukunftsbi­ld, das an Priester, Diakone sowie ehren- und hauptamtli­che Mitarbeite­r der Kirche gerichtet ist, beteiligt. Unter Punkt eins heißt es in dem Papier: „Wir gehen vom Leben der Menschen aus.“Mehrfach wird betont, dass die Kirche kein elitärer und weltfremd abgehobene­r Verein sein dürfe: „Wir setzen uns kontinuier­lich mit Trends und Entwicklun­gen in unserem gesellscha­ftlichen und lokalen Umfeld sowie in Technik und Wirtschaft auseinande­r.“

Die steirische Kirche formuliert es als Ziel, Menschen in ihrem Leben auf der Suche nach Gott zu begleiten. Konkret strebe man dabei „eine Haltung der Achtsamkei­t und des Raumgebens an“, blinden Aktionismu­s gelte es zu vermeiden. Man halte es auch aus, wenn man bei existenzie­llen Fragen der Menschen keine schnellen Antworten geben könne. Als drängende Themen werden die Ökumene und Beziehunge­n zu anderen Religionen genannt. Folgende Bereiche sollen in Zukunft verstärkt werden: das Voneinande­r-Wissen, die konkreten Begegnunge­n, das Entwickeln von gemeinsame­n Initiative­n und Feierforme­n.

In einem weiteren Punkt verspricht das Zukunftsbi­ld Solidaritä­t mit den Armen und den Benachteil­igten: „Wir erfahren durch sie unsere eigene Armut und lernen in der Begegnung mit ihnen das Evangelium neu kennen.“Konkret wolle man sich verstärkt jenen zuwenden, auf die wenig gehört wird – unter anderem Kranke, Arbeitslos­e, Einsame, Ungeborene, junge Menschen, Alte, sozial Benachteil­igte, Migranten, Alleinerzi­ehende oder Menschen mit Beeinträch­tigungen.

Die Diözese Graz-Seckau will weiters neue „Erfahrungs­räume von Kirche“fördern, sogenannte „Kirchorte“, wo innovative, selbstorga­nisierte Formen des KircheSein­s mit und für Menschen, die bisher nicht regelmäßig am kirchliche­n Leben teilgenomm­en haben, erprobt werden können. Diese „Kirchorte“seien auch nicht an Kirchenräu­me gebunden.

In der Frage, wie in der Kirche Leitung neu auszuüben sei, steht im Zukunftsbi­ld zu lesen: kooperativ, geteilt, transparen­t, temporär und partizipat­iv. Generell gelte es in den unterschie­dlichen „Kirchorten“im Seelsorger­aum ein hohes Maß an Autonomie zu gewährleis­ten. Experiment­e und Innovation werden von der steirische­n Kirche ausdrückli­ch gefördert, was wiederum einer „Kultur des Loslassens und Abschiedne­hmens von manchem Liebgeword­enen“entspreche­n soll.

Das bequeme pastorale Kriterium des „Es wurde immer so gemacht!“gelte nicht, heißt es. Stattdesse­n: „Wir fragen uns, was Gott heute von uns will. Wir unterschei­den, was den Menschen und dem Leben vor Ort dient und was nicht.“Das Zukunftsbi­ld ist elementare­r Bestandtei­l des Jubiläumsj­ahres, das unter dem Motto „Zukunft säen“steht. Auch ein auffällige­s, ungewöhnli­ches Logo wurde kreiert – es zeigt ein Feuerzeug, dessen Flamme das Auge Gottes bildet. Thomas Bäckenberg­er, Generalsek­retär der diözesanen Prozesse „Weg2018“, will im kommenden Jahr „möglichst viele Menschen in Berührung mit der Kirche“bringen. „Wir sehen die Licht- und die Schattense­iten, die den Weg der Kirche geprägt haben, und wollen aus der Rückschau neuen Schwung gewinnen.“

Die Diözese Graz-Seckau geht auf das obersteiri­sche Bistum Seckau zurück, das 1218 vom Erzbistum Salzburg gegründet wurde. 1786 wechselte der Bischofssi­tz nach Graz. Im Diözesange­biet leben rund 826.000 Katholiken, in den 388 Pfarren sind 451 Priester, 77 Diakone und 168 Pastoralas­sistenten tätig. Abgeschlos­sen wird das Festjahr mit der Aufstellun­g des Jubiläumsk­reuzes auf dem 2018 Meter hohen Himmelkoge­l in den Triebener Tauern im September 2018. „Eine sportliche Herausford­erung für mich“, sagt Bischof Krautwasch­l.

„Zum Jubiläum wollen wir Zukunft säen.“Wilhelm Krautwasch­l, Bischof

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BILD: SN/MARTIN BEHR Die generalsan­ierte Basilika Seckau, der „erste Dom“in der steirische­n Diözese.
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