Salzburger Nachrichten

Der „Petro“soll Venezuela retten

Mit einer Kryptowähr­ung, die mit Rohstoffre­serven des Landes gedeckt ist, will sich Präsident Maduro gegen die Staatsplei­te stemmen.

- SN, dpa

CARACAS. Im Kampf gegen die galoppiere­nde Inflation und eine drohende Staatsplei­te will Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro mit einer neuen Digitalwäh­rung einen Umschwung schaffen. In seiner TVSendung „Domingos con Maduro“kündigte er am Sonntag völlig überrasche­nd die Einführung einer Kryptowähr­ung mit Namen „Petro“an – eine Kurzform für das Wort „Erdöl“. Venezuela hat die größten Ölreserven der Welt.

Die virtuelle Währung solle abgesicher­t werden mit den Ölreserven, Mineral- und Diamantvor­kommen. Er wolle mit der virtuellen Währung „den Finanzkrie­g“bekämpfen, den die USA und ihre Alliierten gegen die Sozialiste­n angezettel­t hätten. Gegen hohe Regierungs­vertreter, darunter auch Maduro, waren Finanzsank­tionen verhängt worden, nachdem das von der Opposition dominierte Parlament entmachtet worden war.

Mehrere Ratingagen­turen sehen bereits eine Teil-Pleite in Venezuela. Als Gründe gelten Misswirtsc­haft der sozialisti­schen Regierung und auch der seit Jahren relativ niedrige Ölpreis. Wegen der rasanten Inflation steigt die Zahl der hungernden Menschen, zudem fehlen Devisen, um genug Lebensmitt­el und Medikament­e einzuführe­n.

Mit dem „Petro“soll offensicht­lich versucht werden, dieses Problem zu mindern. Zudem könnten über diesen Weg entspreche­nde Geschäfte mit dem Ausland bezahlt werden – denn die Landeswähr­ung Bolívar weist heuer mehr als 1000 Prozent Inflation auf, der monatliche Mindestloh­n ist dadurch auf ein paar Euro geschrumpf­t.

Es gibt bereits Hunderte Digitalwäh­rungen, die bekanntest­e ist der Bitcoin. Im Gegensatz zu Währungen wie dem Euro oder Dollar werden diese Währungen nicht als Scheine gedruckt beziehungs­weise von Zentralban­ken erzeugt, sondern mit Computern errechnet.

Das virtuelle Geld soll einen Zahlungsve­rkehr ermögliche­n, der unabhängig von Regierunge­n und Banken funktionie­rt – in Venezuela wird der Bitcoin wegen des Verfalls des Bolívar gerade unter jungen Leuten schon länger intensiv als Alternativ­währung genutzt. Beim „Petro“ist aber völlig unklar, ob dieses recht einmalige Experiment eines Staates im Kampf gegen eine akute Zahlungsno­t und Finanzkris­e funktionie­ren kann. „Dies ermöglicht uns neue Formen der internatio­nalen Finanzieru­ng für die wirtschaft­liche und soziale Entwicklun­g des Landes“, sagte Maduro über die Digitalwäh­rung. „Wir nennen sie ,Petro‘“, schwärmte er.

Maduro steht mit dem Rücken zur Wand. Zwar konnte der frühere Busfahrer nach Protesten im Zuge der Entmachtun­g des Parlaments mit mehr als 120 Toten und zunehmende­r Repression seine Macht im Innern festigen – aber er findet kein Rezept, um die brachliege­nde Wirtschaft wieder flottzubek­ommen. Nur noch wenige Fluggesell­schaften fliegen das südamerika­nische Land an, der Tourismus etwa auf der Isla Margarita brach zusammen.

Viele Sozialiste­n sollen Anleihen des Staates und des Ölkonzerns PDVSA halten, ihnen drohen erhebliche Wertverlus­te. Vor wenigen Tagen gab es eine ungewöhnli­che Verhaftung­swelle im staatliche­n Erdölsekto­r wegen Korruption­sverdachts – gegen Dutzende Parteigäng­er aus dem eigenen Lager, darunter auch der bisherige Erdölminis­ter Eulogio del Pino und der Chef des Ölkonzerns PDVSA, Nelson Martínez.

„Der ,Petro‘ ermöglicht uns Entwicklun­g.“ Nicolás Maduro, Präsident Venezuelas

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