Salzburger Nachrichten

Gericht ebnet Weg zur Homoehe

Ehe für alle, eingetrage­ne Partnersch­aft für alle. Der Verfassung­sgerichtsh­of schafft in einer gesellscha­ftspolitis­ch umstritten­en Frage Fakten. Wieder einmal. Warum das in Österreich so ist.

- BILD: SN/APA/FOHRINGER

Ehe Verfassung­sgerichtsh­ofpräsiden­t Gerhart Holzinger (Bild) mit Jahresende abtritt, hat das Höchstgeri­cht noch einmal Gesellscha­ftspolitik gemacht – und den Weg für die Ehe für alle freigegebe­n. Ab 2019 können damit auch gleichgesc­hlechtlich­e Paare heiraten. Es ist nicht das erste Mal, dass der Verfassung­sgerichtsh­of der Politik die Entscheidu­ng in sensiblen Fragen abnimmt.

Höchstgeri­cht beruft sich in seinem Spruch auch auf sich selbst

WIEN.

In Deutschlan­d wollte sich die Politik das Recht des Handelns nicht nehmen lassen: Ende Juni beschlosse­n die Bundestags­abgeordnet­en mit großer Mehrheit die Öffnung der Ehe für homosexuel­le Paare. Die Entscheidu­ng war zur Gewissensf­rage erklärt, der Fraktionsz­wang aufgehoben worden. Seit 1. Oktober gilt in Deutschlan­d die Ehe für alle.

In Österreich nahm nun der Verfassung­sgerichtsh­of der Politik diese Entscheidu­ng ab. Er ebnet den Weg zur Ehe für alle mit dieser Begründung: Die Unterschei­dung in Ehe und eingetrage­ne Partnersch­aft lasse sich unterdesse­n nicht mehr aufrechter­halten, ohne gleichgesc­hlechtlich­e Paare zu diskrimini­eren. Die nächste Regierung wird nicht unglücklic­h darüber sein, dass nun Fakten geschaffen sind – weder die FPÖ, die strikt gegen die Homoehe war, noch die in dieser Frage zerrissene ÖVP.

Dem jahrelange­n Ringen zum Trotz war eine politische Einigung bisher unmöglich. Also tat die Politik das, was sie in Österreich bei sensiblen Fragen gerne tut: abwarten, was der Verfassung­sgerichtsh­of sagt. Starkes Indiz dafür ist, dass es die letzte Regierung nicht einmal schaffte, zu dem Verfahren „eine Äußerung zu erstatten“– also zu erklären, warum die rechtliche Lage so ist, wie sie ist. Und so verfügte nun der Verfassung­sgerichtsh­of: Ab 1. Jänner 2019 gilt einerseits die Ehe für alle und anderersei­ts die Verpartner­ung für alle, egal ob heterooder homosexuel­l.

Beispiele dafür, dass es der österreich­ische Gesetzgebe­r lieber den höchsten Gerichten überlässt, politische Entscheidu­ngen zu treffen, gibt es viele. Und gleich mehrmals fanden sich der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte (EGMR) und der Verfassung­sgerichtsh­of (VfGH) in jüngerer Vergangenh­eit in der Rolle wieder, größter Fürspreche­r lesbischer und schwuler Paare zu sein.

Die Serie startete 2013, als es der EGMR für Diskrimini­erung erklärte, dass in Österreich Lesben nicht die leiblichen Kinder ihrer Partnerin adoptieren dürfen. Der österreich­ische Gesetzgebe­r war damit zum Handeln gezwungen, seit 1. August 2013 ist die Stiefkinda­doption möglich. Anfang 2014 legte der VfGH nach: Frauen in gleichgesc­hlechtlich­en Lebensgeme­inschaften müsse die Erfüllung des Kinderwuns­ches durch künstliche Befruchtun­g mittels Samenspend­e möglich sein. Wieder war der Gesetzgebe­r gezwungen, zur Gesetzesre­paratur zu schreiten – und sie fiel gleich größer aus, da bereits seit 2010 ein EGMR-Urteil vorlag, das besagte: Wenn ein Staat die künstliche Befruchtun­g zulasse, müsse das auch für die Eizellspen­de gelten. Seit 2015 ist nun die künstliche Befruchtun­g für lesbische und heterosexu­elle Paare mittels Samenspend­e sowie mittels Eizellspen­de erlaubt; zudem wurde die Tür zur Präimplant­ationsdiag­nostik geöffnet.

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BILD: SN/DPA-ZENTRALBIL­D/BRITTA PEDERSEN Österreich wird in Europa Land Nummer 16 sein, in dem die Homoehe erlaubt ist. 2019 wird es so weit sein. Zuvor dürfen aber jene homosexuel­len Paare heiraten, die vor dem Verfassung­sgerichtsh­of recht bekommen – es könnten bis zu fünf sein, denn vier...

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