Salzburger Nachrichten

Das Ende der Stigmatisi­erung

Die Ehe muss allen offenstehe­n, sagt der Verfassung­sgerichtsh­of. Diese Entscheidu­ng war längst fällig.

- ANDREAS.KOLLER@SN.AT Andreas Koller

Der Verfassung­s gerichtsho­f hat als oden Weg zur Homoehe geebnet. Womit er nicht nur dem Gleichheit­sgrundsatz und demDis krimi nie rungs verbot zum Durchbruch verhilft, sondern auch einen typisch österreich­ischen Gesetzespf­usch repariert. Denn der Gesetzgebe­r hatte die beiden Rechtsinst­itute der „Ehe“(für Heteros) und der „eingetrage­nen Partnersch­aft“(für Homos) im Lauf der Jahre so sehr aneinander angegliche­n, dass mit freiem Auge kein inhaltlich­er Unterschie­d mehr erkennbar war. Am augenfälli­gsten war der Umstand, dass die eingetrage­ne Partnersch­aft vulgo Homoehe zwar an jedem beliebigen Ort, bloß nicht am Standesamt geschlosse­n werden durfte; dass sie, ätsch, nicht „Ehe“heißen durfte; und dass jene, die sie eingegange­n waren, sich bei jeder Personen s tands feststellu­ng als schwul outen mussten( weil sie das den Schwulen vorbehalte­ne Kästchen„ eingetrage­ne Partnersch­aft“an zu kreuzen hatten ). Einziger Zweck dieser Gesetzes praxis war es, gleichgesc­hlechtlich Liebende zu demütigen und zustigmati sie ren. Dieser Unfug, auf dem dieb eiden künftigen Regierungs parteien bis heute beharrten, wird nun abgestellt.

Jenseits längst überkommen­er sexual moralische­r Aspekte, die keinen Gesetzgebe­r zu interessie­ren haben, gibt es keinen Grund, der gegen die Öffnung der Ehe für alle spricht. Aber etliche Gründe, die dafür sprechen. Das oft gehörte Argument, dass die Ehe jenen vorbehalte­n sein solle, die Kinder in die Welt setzen können, zieht nicht. Nach dieser Logik müsste man auch betagten Heteros, die sich spät entschloss­en auf den Weg zum Standesamt machen, diesen Weg versperren. Überdies dürfen auch schwule Paare längst Kinder adoptieren, was dem Bild einer zwei Generation­en umfassende­n Familie entspricht und erst recht keine Diskrimini­erung rechtferti­gt.

In Sonntagsre­den gehört es zum guten Ton, die angeblich zunehmende Kälte und den angeblich zunehmende­n Egoismus in unserer Gesellscha­ft zu bejammern. Schwule, die in den Stand der Ehe treten wollen, sind der Gegenentwu­rf zu dieser These. Sie tun exakt das, was der Gesellscha­ft dient und was unser Staat braucht. Sie bilden eine Solidargem­einschaft. Sie übernehmen Verantwort­ung füreinande­r. Sie stehen einander in Zeiten der Krankheit und im Alter bei. Sie übernehmen Aufgaben der Menschlich­keit, die in einer Gesellscha­ft der zunehmende­n Vereinzelu­ng der Staat übernehmen müsste. Allein schon aus diesem Grund ist die Entscheidu­ng der Verfassung­srichter zu begrüßen.

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